Dunkles Feuer
war zu interessiert, um irgendeine Bemerkung zu machen. Daniel fuhr fort.
»Seit einigen Tagen hatte William nichts von seiner Frau gesehen, da sie ihm trotzig aus dem Weg ging. Entweder saß sie allein in ihrem Zimmer mit ihrer Stickerei beschäftigt oder ging im Garten spazieren, wobei sie oft Selbstgespräche führte oder vielleicht auch mit den Blumen sprach - bei Frauen konnte man da nie sicher sein, fand William. Falls sie ihrem Mann begegnete, ging sie stolz und hoch erhobenen Hauptes an ihm vorbei, mit allen Kräften zeigend, dass sie litt, dass sie jedoch bereit war, ihr Martyrium zu ertragen, ohne sich bei diesem Tyrann zu beschweren. Ihr Verhalten störte William beinahe gar nicht. Seine Eifersucht hatte sich gelegt, da er alle Eingänge des Schlosses kontrollierte und sicher sein konnte, dass sich kein Mann außer ihm im Hauptgebäude befand oder es unbemerkt betreten oder verlassen konnte.
Es geschah an einem heißen Sommernachmittag. Da sich seine Frau nicht im Garten aufhielt, folgerte William, dass sie sich in ihre Räume zurückgezogen hatte. Eigentlich wollte er sie gar nicht sehen, doch da seine Belagerung langsam ihren Sinn verlor, fing er an, sich zu langweilen. Und ihre Gesellschaft war immer noch besser als gar keine Gesellschaft, zwar nicht viel besser, aber immerhin.
Energisch nahm er die Treppe, die zu ihren Gemächern führte, doch etwas ließ ihn kurz vor ihrer Tür innehalten. Er hörte die vor Lust heisere Stimme eines Mannes. Die Erkenntnis, dass seine Frau ihn die ganze Zeit über an der Nase herumgeführt hatte, während ihm sein Verhalten beinahe Leid tat, erfüllte ihn mit grenzenloser Wut. Trotzdem beherrschte er sich noch etwas länger und lauschte an der Tür. Er hörte schon wieder diese verdammte männliche Stimme, der unverkennbar das wollüstige kehlige Lachen einer Frau, seiner Frau, antwortete. Eifersüchtig stellte er sich ihr liebestrunkenes Gesicht vor, das sie ihm noch nie gezeigt hatte, das er sich jedoch gut vorstellen konnte.
Voller Zorn riss er die Tür auf und stürzte ins Zimmer, heftige Worte der Anklage auf der Zunge. Doch die Worte gefroren auf seinen Lippen ob des unerwarteten Anblicks. Er sah wohl das zerwühlte Bett, auf dem seine entblößte Frau in ziemlich eindeutiger Stellung sich zu bedecken versuchte. Doch er sah nur das und nichts - eher gesagt - niemanden sonst. Es war kein fremder Mann im Zimmer, obwohl William fest davon überzeugt war, dass seit dem Zeitpunkt, als er die Stimme dieses Mannes gehört hatte, bis zu dem Augenblick, als er die Tür aufriss, kaum ein paar Sekunden vergangen waren. Vor Wut praktisch schnaubend durchsuchte er das Zimmer seiner Frau, doch die Schränke enthielten nichts als ihre Kleider, und alle Fenster waren abgeschlossen, so dass dieser Fluchtweg versperrt war, selbst wenn der Übeltäter den Sprung aus dem zweiten Stockwerk gewagt haben würde.
William entschied, sich später mit seiner Frau zu befassen, da sie ihm ohnehin nicht weglaufen konnte, im Gegensatz zu ihrem Liebhaber. Er befahl, das Schloss abzuriegeln und zu durchsuchen. Doch obwohl die Angestellten das gesamte Schlossgelände von den Ställen bis zu der Küche durchsuchten und sogar den alten Park nach Möglichkeit durchkämmten, wurde niemand gefunden. Vielmehr hat man nicht einmal einen Hinweis darauf gesehen, dass sich ein Fremder auf dem Schlossgelände aufgehalten haben konnte. Die Dienstboten, die das Verhalten ihres Herrn ohnehin nicht billigten, flüsterten hinter vorgehaltener Hand, dass er jetzt völlig durchgedreht wäre und sich alles nur eingebildet hätte. Andere meinten, er suchte nur einen Vorwand, um seine Frau ein weiteres Mal zu demütigen.
Dieser Vorfall wurde nie aufgeklärt.«
Daniel nahm noch einen Schluck Wein und lehnte sich zurück.
»Doch sicher gab es eine Erklärung dafür, sonst wäre es ja keine Legende«, ließ Julie sich vernehmen.
Daniel blickte sie geheimnisvoll an und senkte die Stimme. »Es hat natürlich nie einen Zweifel daran gegeben, dass der Liebhaber kein Geringerer als das Gespenst höchstpersönlich war. Es gab eine Reihe eindeutiger Beweise.«
Julie bedeutete ihm, weiter zu sprechen.
»Erst einmal ist da das geheimnisvolle, eigentlich sogar unmögliche Auftauchen und Verschwinden des Fremden, der sich praktisch in Nichts auflöste. Des Weiteren berichteten einige der Diener, die bei der Suche nach dem Fremden halfen, sie hätten in den Gängen des 3. Stockwerkes amüsiertes und schadenfrohes Gelächter
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