Dunkles Feuer
wusste genau, was sie von ihm wollte. Sie verlangte keine Versprechen der ewigen Liebe oder Treue, verlangte keine Beweise seiner Aufrichtigkeit, sie wollte nur Zerstreuung. Und die bekam sie auch. Oh ja, er erinnerte sich noch gut an den Spaß, den sie beide hatten, daran, wie wissbegierig und lernfähig sie in der Kunst der Liebe war.
Doch leider hatte der Spaß nicht lange gedauert. Zu schnell fing sie an, Ansprüche zu stellen und irgendwelche Beweise seiner Zuneigung haben zu wollen. Er war sich bis zum Schluss nicht sicher gewesen, ob sie selbst ihn geliebt hatte, oder ob sie nur ihre - eingebildete - Macht über ihn testen wollte. Auf jeden Fall war er nicht bereit gewesen, sich an diesem Spiel zu beteiligen. Zum Glück reisten sie und ihr Mann, bald nachdem er sie beide erwischt hatte, aus dem Schloss ab, somit wurde Frederik von der Notwendigkeit erlöst, selbst diese langsam lästig werdende Beziehung zu beenden. Er konnte sich noch genau an die Tränen erinnern, die sie beim Abschied vergossen hatte, und auch an die vielen sinnlosen Versprechen, die er machen musste, bevor sie endlich abreiste. Am Ende bestand sie noch darauf, diese Skizze von ihm anzufertigen und sie mit diesem furchtbaren Satz zu unterschreiben, den sie ja so originell und romantisch fand. Es war schon wirklich das Beste gewesen, dass die Affäre so schnell beendet wurde, sonst hätte sie ihn - und dessen war er sich sicher - in den Wahnsinn getrieben.
Und jetzt tauchte nach all den Jahren diese verdammte Skizze wieder auf und drohte, seinen Plan zunichte zu machen.
Das Gefühl, dass er nichts tun konnte, machte Frederik rasend. Er jagte im dritten Stock umher und versuchte krampfhaft, eine Möglichkeit zu finden, diese Gefahr abzuwenden. Bis ihm klar wurde, dass vielleicht noch gar keine Gefahr bestand.
Vielleicht war Julie die Bedeutung der Skizze ja gar nicht aufgefallen. Und eigentlich hatte sie keinen Grund, sich darüber Gedanken zu machen. Und doch hatte Frederik herausgefunden, dass Julie zuviel über alles nachdachte, dass sie immer versuchte, ihre Emotionen zu rationalisieren, und scheinbar Angst davor hatte, sich einfach gehen zu lassen. Dennoch hatte er das Gefühl, das sich nach und nach zur inneren Gewissheit verfestigte, dass diese Frau für die Liebe geschaffen war und dass der Mann, der ihr Herz wirklich erreichen konnte, mit ihr zusammen zu unvorstellbaren Höhen des Glücks aufsteigen konnte.
Schon wieder musste er sich innerlich zur Ordnung rufen, da seine Gedanken, wie es in letzter Zeit zu oft geschah, abzudriften drohten.
Dabei war die Lösung ganz einfach. Da die Gefahr darin bestand, dass Julie und Peter sich zu viele Gedanken über ihn machten, musste er eben dafür sorgen, dass sie andere Probleme bekamen, auf die sich ihre Energie konzentrieren konnte.
Nun hatte er wieder eine Aufgabe, die gelöst werden musste, ein neuer Knoten, den er auseinander knobeln musste - er war in seinem Element. Frederik zog sich in sein Versteck, einen der wenigen Räume, die noch in Ruhe gelassen wurden, zurück und begann vom Neuen, seine finsteren Pläne zu überarbeiten.
»Na dann, ran an die Arbeit!« versuchte Julie sich selbst zu begeistern, als sie sich unschlüssig in dem großen Zimmer umsah. Es war jedes Mal das Gleiche - sie wusste einfach nie, wo sie anfangen sollte. Die Ersteinschätzung des Raumes versprach ihr nichts besonders Interessantes: ein paar kaum erkennbare Aquarelllandschaften, ein Schreibtisch, einige Truhen. Die Truhen erschienen Julie doch noch am verlockendsten, sie fühlte sich immer an alte Abenteuer- oder Piratenfilme erinnert, die sie in ihrer Kindheit so fasziniert hatten. So blieb wenigstens ein kleiner Reiz, obwohl die Spannung nach dem Öffnen meistens wieder verflog. Oft enthielten die Truhen nur wertloses Gerümpel oder waren ganz leer. Mittlerweile war das gespannte Interesse, mit dem Julie anfangs das gesamte Schloss betrachtet hatte, verflogen, und es blieb nur harte, gnadenlose Pflichterfüllung zurück.
Müde stemmte sie den schweren Deckel hoch, wobei die Kiste ein protestierendes Knarren von sich gab. Doch als ihr Blick den Inhalt der Truhe streifte, verschlug es ihr vor Begeisterung die Sprache. Natürlich war diese Truhe kein wertvoller Fund, doch wusste Julie, dass sie es sich insgeheim immer gewünscht hatte, so eine Truhe zu finden, um sich einmal wie eine richtige Märchenprinzessin fühlen zu können. Mit leuchtenden Augen nahm sie das Gewand aus der Truhe und hielt es an
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