Dunkles Feuer
Bildung und Alter gleichkamen, und dadurch eine viel ernst zu nehmendere Bedrohung für ihn darstellten als die Dorfbevölkerung.
Etwa zu dieser Zeit bemerkte William zum ersten Mal eine Veränderung an seiner Frau. Sie wirkte verträumt und manchmal sogar glücklich - ein Gefühlszustand, den er eigentlich noch nie bei ihr hatte beobachten können. Ihm gegenüber benahm sie sich allerdings noch kühler als gewöhnlich, so dass es offensichtlich war, dass nicht seine Gegenwart zur Besserung ihrer Laune beitrug. Wenn er abends in ihr Schlafzimmer kam, so wies sie ihn ab, was sie früher nie zu tun gewagt hatte, auch wenn ihr die Erfüllung dieser Pflicht ziemlich unangenehm war.
William wurde fast rasend vor Eifersucht. Ihn traf die Erkenntnis: Seine Frau hatte einen Liebhaber!
Diesmal war es kein paranoider Verdacht seinerseits, sondern eine, in seinen Augen erwiesene, Tatsache. Es machte ihn wahnsinnig, dass er nicht wusste, wer von den jungen Männern, die seine Frau umschwärmten, der Auserwählte war, der die Umarmungen seiner Ehefrau, die sie ihm verweigerte, genießen durfte.
Noch verbitterter spionierte er ihr hinterher, doch er konnte nicht feststellen, welchen Mann sie bevorzugte. Sie flirtete und lächelte mit allen Männern so, dass es nie die Grenze überschritt. Sie schien zwar die Verehrung und die Aufmerksamkeit zu genießen, aber die Verehrung aller Männer gleichermaßen. William wusste nicht weiter.
Schon begann sich bei ihm der Gedanke einzuschleichen, dass er sich doch geirrt hatte. Doch das Verhalten seiner Frau ließ ihm keine Ruhe. Wenn er schon nicht den Schuldigen finden und bloßstellen konnte, konnte er dennoch ihn von seiner Frau trennen, indem er einfach alle Gäste nach Hause schickte.
Nachdem der Entschluss gefasst war, zögerte William nicht mit seiner Ausführung. Schon am nächsten Abend verließen die Gäste überstürzt und verwundert das Schloss. Keiner wagte es, sich zu beschweren, da man sich die Gunst des strengen Gastgebers erhalten wollte, der zwar selbst nicht besonders gesellig war, bei dem man aber wichtige und unterhaltsame Bekanntschaften machen konnte.
William erwartete, dass sich jetzt, wo er das Problem gelöst hatte, seine Frau in den gewohnten Schwermut versinken und wieder eine zwar unzufriedene, allerdings gehorsame Ehefrau sein würde.
Doch zu seinem Erstaunen geschah nichts von alledem. Ganz im Gegenteil, seine Frau benahm sich noch merkwürdiger, noch glücklicher und noch abweisender. Er bekam ihren Ekel und ihre Abneigung deutlich zu spüren. William überlegte, was er denn noch unternehmen konnte. Sein erster Gedanke war es, sie in ihrem Zimmer einzusperren. Doch das konnte er nicht ohne einen Vorwand, und er hatte keinerlei Beweise für ihr ehebrecherisches Handeln.
Wofür er jedoch sehr wohl sorgen konnte, war, dass sie keinen männlichen Besuch mehr hatte. Er verbot seinen Knechten, ohne seine ausdrückliche Erlaubnis das Herrenhaus zu betreten. Er zog sich zurück und empfing weder Besuch, noch verließ er selbst das Haus. In seinem Bemühen, seine Frau persönlich zu überwachen, sperrte er nicht nur sie praktisch ein, sondern machte sich selbst zu einem freiwilligen Gefangenen in seinem Haus. Diese sich selbst aufgezwungene Isolation kümmerte ihn zu diesem Zeitpunkt nur wenig, wenn er dadurch seine krankhafte Eifersucht besänftigen konnte. Es war für ihn zu einer Art Spiel geworden, das er schon aus Prinzip gewinnen wollte, egal, was er dafür ertragen musste.
Doch auch nach diesen drastischen Maßnahmen blieb der erhoffte Erfolg einfach aus. Seine Frau wurde zwar gereizter und ärgerte sich über sein - wie sie es nannte - völlig unangebrachtes Verhalten, doch konnte er keine von den Reaktionen bei ihr feststellen, die er zu erzwingen suchte. Da er kein zufrieden stellendes Resultat erreichen konnte, war er fast bereit, die Hoffnung aufzugeben. William war bereit zu glauben, dass der Fehler in der Tat bei ihm lag und dass sich das Verhalten seiner Frau einfach durch ihre Abneigung ihm gegenüber erklären ließ. Daraufhin versuchte er sich einzureden, dass er alles viel zu persönlich nahm und dass sie eigentlich eine ganz normale Ehe führten.
Doch da geschah etwas, was die Geschichte so erwähnenswert machte, dass sie über zwei Jahrhunderte weiter erzählt wurde.«
Daniel ließ sich den letzten Satz auf der Zunge zergehen. Er nahm genüsslich einen Schluck Wein, um die Spannung zu steigern. Julie und Peter hörten aufmerksam zu, und auch Julie
Weitere Kostenlose Bücher