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Dunkles Feuer

Dunkles Feuer

Titel: Dunkles Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elvira Zeissler
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hallen hören, das scheinbar aus den Wänden kam. Dafür konnte wirklich nur ein Geist verantwortlich sein.«
»Nun gut, das scheint mir alles einleuchtend. Aber ist es überhaupt möglich, rein physisch betrachtet? Ein Geist ist doch körperlos, wie sollte es also funktionieren?« gab Peter zu bedenken.
»Normalerweise stimmt das auch. Aber aus allen Geschichten geht hervor, dass unser Gespenst für eine bestimmte Zeit eine feste Form annehmen kann. Es ist eben nicht irgendein so dahergelaufenes Gespenst, es ist das Gespenst von Schloss Lerouge! Das ist nun wirklich etwas ganz Besonderes.« Stolz reckte Daniel seine Nase in die Luft. Julie kicherte.
»Hat dieser William denn keine Erklärung von seiner Frau verlangt?« wollte sie wissen.
»Doch, das hat er. Aber für den Wahrheitsgehalt dieser Antwort kann ich nicht garantieren. Ihr müsst wissen, das ist genau die Art Antwort, die die einfache Landbevölkerung sehr gern dazu dichtet. Die Geschichte sagt, sie soll erst ziemlich schadenfroh über die verdutzte Miene ihres Mannes gelacht und ihm anschließend vorgeworfen haben, einfach so in ihre Gemächer eingedrungen zu sein und sie gestört zu haben. Angriff war nämlich schon immer die beste Verteidigung. Dann hatte sie in verständnisloser Amüsiertheit beobachtet, wie er ihr Zimmer durchsuchte und ihm unschuldig versichert, sie hätte keine Ahnung, was er meinte. Als er endlich Zeit genug hatte, um einen klaren Gedanken zu fassen, sprach er sie auf ihre Pose bei seinem Eintreten an. Da soll sie die Augen verschämt zu Boden gesenkt und gemeint haben, er hätte seine ehelichen Pflichten einfach zu lange vernachlässigt ...«
Daniel ließ den Schluss bewusst unausgesprochen.
Julie prustete als erste los, Peter brauchte einige Sekunden länger, bevor er mit einstimmte.
»Nach dieser Erklärung bestand William nicht länger auf der Aufklärung des Ursprungs der männlichen Stimme, die er gehört zu haben meinte. Er redete sich ein, dass alles nur Einbildung war. William bemühte sich, diesen Vorfall nicht zu verbreiten, dennoch zerriss sich die Bevölkerung noch wochenlang das Maul darüber. Ich denke, das ist auch der Grund, warum die Geschichte überliefert wurde.«
»Gibt es auch noch andere, realistischere Theorien zur Identität des Liebhabers?« fragte Peter.
»Mir ist keine bekannt. Es gibt jedoch einen Beweis, dass diese Geschichte nicht frei erfunden ist. Im Dorfmuseum gibt es eine Kohlezeichnung vom Gesicht eines Mannes, die Williams Frau angefertigt hatte. Sie ist mit einem merkwürdigen Satz beschriftet: ‚Für Dich, F., Du hast mich zur Frau gemacht, Ich werde Dich nie vergessen. Auf ewig dankbar, M.' Dieses Blatt soll im oberen Stockwerk gefunden worden sein, nachdem William und seine Frau abgereist waren, seine Frau hieß nämlich Mary, die Initialen weisen also darauf hin, dass sie diese Zeichnung wirklich selbst angefertigt hatte.«
»Das war ja eine tolle Geschichte«, meinte Julie, »danke, Daniel, du bist ein ausgezeichneter Erzähler.«
Daniel strahlte sie an. Julie lächelte. Peter guckte weg.
»Was ist jetzt eigentlich mit deiner Behauptung, jede alte Geschichte sei tragisch? Du hast am Ende doch eher gekichert als geweint, wenn ich mich nicht irre«, warf Peter ein, um die beiden voneinander abzulenken.
»Diese Meinung habe ich auch keineswegs aufgegeben. Ist euch etwa die Dramatik dieser Geschichte nicht aufgefallen?«
Daniel zog die Augenbrauen hoch. »Ich bin sicher, du klärst uns gleich auf. Ich meine nämlich ebenso wie Peter, dich lachen gehört zu haben.«
»Es war ja auch ganz amüsant. Aber du hast diese Reaktion ganz bewusst ausgelöst. Doch sogar ihr werdet nicht bestreiten können, dass es hier einen durchaus ernsten Unterton gibt.«
Beide Männer schauten sie fragend an.
»Versetzt euch doch mal in die Lage der armen Frau, was hatte sie wohl nach all dem von ihrem Mann zu erwarten - noch mehr Eifersucht und noch mehr Verfolgung. Darüber hinaus wurde sie auch noch von dem einzigen Mann, den sie geliebt hatte, getrennt.«
»Wenn du es so sehen willst. Aber eigentlich ist das gar nicht das Thema der Geschichte, es geht dabei um etwas völlig Anderes.«
»Natürlich, doch darf man diese Tatsache dennoch nicht vernachlässigen«, meinte Julie trotzig.
Daniel merkte, dass sie nicht überzeugt werden konnte, und lenkte das Gespräch in eine andere Richtung. Sie sprachen über ihr Leben und ihre Kindheit. Dabei kamen viele Geschichten aus Julies und Peters Vergangenheit zum Vorschein,

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