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Dunkles Feuer

Dunkles Feuer

Titel: Dunkles Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elvira Zeissler
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schweren Sachen mit anpacken gesehen. In seiner Zeit wäre es unvorstellbar gewesen, dass eine wohlerzogene junge Dame körperliche Arbeit verrichtete, während Männer gerade Pause machten. Kein Mann, der diese Bezeichnung verdiente, hätte tatenlos dabeigestanden, während eine Frau arbeitete, vor allem eine Frau wie Julie. Doch die Gesellschaft schien sich sehr verändert zu haben. Die Frauen waren viel selbstständiger und unabhängiger geworden. Er merkte auch, wie sie scheinbar stolz ihren Status als gleichberechtigte Arbeiter und nicht als Mitglieder des schwachen Geschlechts behaupteten. Er fragte sich nur, ob das der ehrliche Wunsch der Frauen war oder ob sie lediglich gute Miene zum bösen Spiel machten und stolz ihre Gleichberechtigung verlangten, da sie ohnehin nicht mehr als das "zarte Geschlecht" behandelt wurden.

Entschlossen schüttelte Frederik seinen Kopf, es war an der Zeit, sein Vorhaben auszuführen, doch sein Blick schweifte wieder zu der schlafenden Julie. Sie war so zart, so verletzlich. Wenn er wollte, konnte er ihrem Leben sofort ein Ende bereiten, und sie würde nie erfahren, was ihr alles dadurch erspart bliebe. Dafür musste er nur seine Hände um diesen ungeschützten weißen Hals legen, den sie ihm so vertrauensselig entgegenstreckte. Sie ahnte ja nicht einmal, was in diesem Schloss geschah, sie war sich der Gefahr nicht bewusst. Doch ebenso wenig wusste sie von der Macht, die sie selbst besaß, denn diese schwache Kreatur, die ganz seinem Willen ausgeliefert war, besaß die Macht, sein Schicksal zu erfüllen und zu entscheiden, ob er seiner Verdammnis entfliehen konnte.
Panik stieg in Frederik auf, als ihm die Erkenntnis dämmerte, dass er trotz aller Planung, trotz aller Sorgfalt und trotz des geduldig gewebten Spinnennetzes, in das er Julie einzufangen gedachte, sein Schicksal nicht in der Hand hatte, dass es vielmehr von der Laune einer Frau abhing, einer Sache, auf die man sich gewiss nicht verlassen sollte.
Eine ohnmächtige Wut stieg in ihm auf. Er würde nicht mit sich spielen lassen!
Seine starken Hände vor sich gestreckt, neigte er sich über Julie, bis nur noch einige Zentimeter sein Gesicht von dem ihren trennten. In seinen Fingern zuckte es, als er sie langsam um Julies Hals legte.

Julie hatte Angst. Sie wusste, dass es ein Traum sein musste, doch ein Traum, von dem sie nicht erwachen konnte. Eine bedrohliche, finstere Kreatur, ein Monster, wie sie es noch nie gesehen hatte, kam langsam, aber entschlossen auf sie zu. Julie konnte nichts machen, sie konnte nur zusehen, wie diese Kreatur immer näher kam. Bevor sie richtig verstehen konnte, was geschah, hatte das Monster sie erreicht. Julie wünschte sich nichts sehnlicher, als aufzuwachen. Sie versuchte, sich zu wehren oder wenigstens zu schreien, als sich das Geschöpf langsam über sie beugte, doch sie war wie gelähmt vor Angst. Der einzige Gedanke, der immer und immer wieder durch ihr fieberndes Hirn schoss, war: ‚Es ist nur ein Traum, es kann nur ein Traum sein. Oh Gott, bitte mach, dass es nur ein Traum ist!' Doch es war weit realer, als ein einfacher Traum je sein konnte.
‚Etwas schnürt mir die Luft ab', ein Teil ihres Verstandes stellte kühl und distanziert diese Tatsache fest, deshalb konnte sie nicht schreien, deshalb hatte sie keine Kraft. Diese Erkenntnis beruhigte Julie, sie fühlte, dass jetzt, da sie verstand, was vor sich ging, es ihr im Grunde egal war, was weiter passierte. Sie fühlte keinen Schmerz mehr, sie wollte nur, dass das Grauen aufhörte, der Horror, den ihr diese Kreatur einflößte. Und sie wollte sich ausruhen, sie wollte einfach nur in Ruhe schlafen, alles andere war unwichtig. Sie spürte, wie ihr Widerstand erschlaffte.
Doch plötzlich war ein neuer Schmerz da, ein Schmerz, der sie aus ihrer Versunkenheit weckte. Julie wehrte sich, sie wollte nicht fort, sie wollte nicht auf die Ruhe und Geborgenheit verzichten, die sie umgab, sie wollte wieder einschlafen, keinen Schmerz fühlen.
Aber dieser Schmerz war real und hartnäckig, er hörte nicht auf, bloß weil sie das wollte. Er riss sie aus ihrer Benommenheit, als Luft wieder durch ihre gequetschte Luftröhre strömte.
Warum tat das Atmen nur so weh?
Ruckartig setze Julie sich auf. Es war nur ein Traum, versuchte sie sich zu beruhigen, zugegeben der merkwürdigste und realste Traum, den sie erlebt hatte, aber nichtsdestoweniger nur ein Traum. Sie blickte sich in der vertrauten Umgebung ihres Zimmers um, um sich zu überzeugen, dass

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