Dunkles Feuer
er solle sich bedienen.«
»Danke, Peter.« Stürmisch hauchte Julie ihm einen Kuss auf die Wange und rannte nach oben. Sich umziehen, wie sie ihm noch zurief.
Verwirrt und sehnsüchtig sah Peter ihr nach. Er war hin und her gerissen zwischen der Freude, Julie glücklich und vergnügt zu sehen, und der Gewissheit, dass nicht er dieses Glück verursacht hatte.
Oben in ihrem Zimmer zog Julie sich rasch um, sie fühlte sich wie beflügelt. Also war es wirklich Daniel gewesen. Wie romantisch das doch von ihm war. Natürlich wollte er trotz der Heimlichtuerei nicht unerkannt bleiben. Als Geschichtslehrer hatte er diese altmodische Sprachweise gewählt, um seine Identität zu kodieren. Das erklärte so manches. Das war vermutlich auch der Grund, warum er sich an diesem Morgen so komisch benommen hatte. Er konnte ja nicht wissen, wie sie auf sein Gedicht reagieren würde. Ihre innerliche Zurückhaltung ihm gegenüber, die sie erst vor einer Stunde aufgebaut hatte, war vergessen. Vielleicht war sie ja doch dabei, sich in ihn zu verlieben. Und wenn schon, es war so schön, jung, begehrt und glücklich zu sein.
Frederik triumphierte. Julies lächelndes Gesicht sprach Bände. In seinen kühnsten Träumen hatte er nicht gewagt, einen so überwältigenden Erfolg zu erzielen. Er hatte sich Sorgen wegen Julies offensichtlicher Schwäche für diesen ...
»... Daniel«, unterbrach Julie verträumt seine Gedanken. Sie sagte nichts mehr, doch dieser eine, von Julie unbewusst ausgesprochene Name hatte eine vernichtende Wirkung auf Frederik. Sogar jetzt, wo er nicht einmal anwesend war, durchkreuzte Daniel seine Pläne.
Frederiks Euphorie verwandelte sich in Rage. Wie konnte dieser dahergelaufene Dorflehrer es wagen, seine Pläne zu vereiteln. Wie konnte er es sich anmaßen, sich Frederiks Worte anzueignen und von seinen Mühen zu profitieren. Die Tatsache, dass Daniel von alledem gar nichts wusste, war für seinen gerechten Zorn nicht von Bedeutung.
Nein, er würde dies nicht dulden! Er würde Julie für sich gewinnen. Koste es, was es wolle - diesmal würde er nicht scheitern!
Kapitel 4
Ein grässlicher Laut riss Frederik aus seiner Versunkenheit. Er fröstelte, während er gespannt darauf wartete, ob sich dieser Laut wiederholte. Da war er wieder - noch lauter und Besorgnis erregender als zuvor, als würde er von mehreren Kehlen gleichzeitig ausgestoßen. Frederik legte das Buch, das er gelesen hatte, vorsichtig beiseite und ging zur Tür, um besser lauschen zu können. Er fühlte sich unwohl. Doch so angestrengt er auch horchte, wiederholte sich dieser Laut nicht. Beruhigt atmete Frederik auf, ihm war gar nicht aufgefallen, dass er vor Anspannung den Atem angehalten hatte, und setzte sich wieder in seinen Sessel. Seine Augen hatten gerade die richtige Zeile in seinem Lieblingsroman gefunden, einem Buch, das auch nach den vergangenen Jahrhunderten immer noch sein Interesse zu fesseln vermochte. Frederiks Gesichtszüge entspannten sich wieder, die Falte zwischen seinen Augenbrauen verschwand. Es war also nur eine vorübergehende Erscheinung gewesen, die zusammen mit ihrer Ursache das Schloss wohl schon wieder verlassen hatte.
Doch er hatte sich geirrt. Da war es schon wieder. Diesmal war es näher, und es wurde von Fußgetrappel begleitet. Frustriert schloss Frederik sein Buch. Heute würde er im Schloss wohl keine Ruhe finden. Er überlegte, wann er zum letzten Mal mit so einer Situation konfrontiert wurde, suchte in seiner Erinnerung nach irgendeinem Hinweis, der ihm jetzt helfen könnte, mit der Situation umzugehen. Es war schon so ewig lange her. Ja, jetzt erinnerte er sich wieder. Seit Annes Kindheit hatte es keine Kinder mehr auf Schloss Lerouge gegeben. Und das war gut so. Die Zeit war schwierig genug gewesen, und er stellte fest, dass er keinerlei nützliche Erfahrungen im Laufe der Jahrhunderte gemacht hatte, da er immer darum bemüht gewesen war, Kindern aus dem Weg zu gehen. Es war nicht so, als mochte er keine Kinder, er hatte bloß keinerlei positive Erfahrungen mit ihnen gemacht, und es war wenig wahrscheinlich, überlegte er grimmig, dass er jemals solche Erfahrungen machen würde.
Dennoch, er hasste Kinder nicht, er fürchtete sie vielmehr. Er fürchtete die Unordnung und den Lärm, den sie verbreiteten. Und dann das Lachen und Kreischen - es war ein wirklich unerträglicher Lärm. Nicht wegen der Freude, die darin mitschwingen mochte, sondern wegen der Unbeherrschtheit und der Unkontrollierbarkeit, die darin zum
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