Dunkles Feuer
negativ dargestellt, doch kommt er mir irgendwie edel vor. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er etwas getan haben konnte, das seine Festnahme rechtfertigen könnte.«
»Julie, es scheint mir, dass du alles ein wenig zu romantisch siehst. Außerdem weißt du doch gar nicht, ob er überhaupt festgenommen wird. Eigentlich wissen wir weder, wer er ist, noch, was er getan hat, noch, was mit ihm weiter geschieht«, zählte Peter auf.
»Ihr wisst also gar nichts«, fasste Daniel trocken zusammen. »Nur, dass er ein Earl ist.«
»Ja, aber ein in Ungnade gefallener.«
»Na, das könnte passen. Die alten Legenden handeln nicht gerade von einem Heiligen. Auch wenn sie in vielem verschieden sind, ähneln sich die meisten dahingehend, dass sie von einem finsteren und rücksichtslosen Mann handeln, der sogar vor Gewalttaten nicht zurückschreckte.«
»Aber das sind doch nur Legenden, Märchen, sozusagen.«
»Du darfst sie nicht unterschätzen, Julie. Wenn du schon an das Gespenst glaubst, solltest du auch die Legenden beachten. Glaub mir, sollte es dieses Gespenst tatsächlich geben, hat es keine guten Absichten.«
»Aber bedenke doch mal, wie abergläubisch die Menschen früher waren.«
Peter fasste Daniel lachend am Ärmel. »Lass gut sein. Du weißt doch, ein Mann kann keinen Streit mit einer Frau gewinnen.«
Julie schoss ihm einen giftigen Blick zu.
Amüsiert hatte Frederik zugehört, wie sie ihn wider alle Vernunft und Logik verteidigte, auch wenn sie sich seiner Existenz noch lange nicht sicher war.
Ohne es zu ahnen und ohne dass sie es ahnte, war es ihm schon gelungen, sie in sein Netz zu locken. Er musste vorsichtig sein, damit er sie nicht verschreckte. Damit sie sich nicht befreien konnte, bevor sie gänzlich gefangen war.
Dieses Buch, dessen er sich so gefürchtet hatte, das Buch, das Julie niemals hätte sehen sollen, hatte sich als sein bester Verbündeter erwiesen. Es hatte Julie einen Teil seiner Geschichte, seines Wesens offenbart, und sie war nicht davor zurückgeschreckt.
Wie sehr ähnelte sie Elisabeth, seiner geliebten Elisabeth. Und doch war sie anders. Sie war wie die Vollendung Elisabeths: noch stärker, gebildeter, unabhängiger und gleichzeitig noch zerbrechlicher. Sie zu besitzen, sie wahrlich zu besitzen, was für ein Glück musste das sein.
Und er würde es schaffen, dessen war er sich sicher. Er würde sie besitzen und sie zerstören. So würde er sich endlich an Elisabeth rächen: indem er ihr vollkommenes Bild zerschlug.
Regte sich da etwas wie Bedauern, wie Mitleid in der Tiefe seiner Seele? Nein, so etwas war nicht möglich. Dieses Gefühl war vor langer Zeit in seinem Herzen verbrannt.
Er musste stark sein, durfte sich nicht ablenken lassen. Er musste alle Hindernisse beseitigen, und dann würde er triumphieren. Er würde Julie besitzen, wenigstens für einige Augenblicke. Und doch würde sie dann auf ewig ihm gehören. Auf immer und ewig.
Peter hörte einige Minuten lang still zu, wie Daniel und Julie immer weitere Argumente für ihre Ansichten brachten, wobei sie sich immer weiter hineinsteigerten. Schließlich hielt er es nicht mehr aus. Lachend ging er dazwischen. »Ihr solltet euch mal zuhören. Zwei erwachsene, intelligente und gebildete Menschen, die sich ernsthaft darum streiten, ob ein - wahrscheinlich nicht existentes - Gespenst beziehungsweise ein schon seit Jahrhunderten toter Mann gut oder böse war. Das ist doch nicht euer Ernst, oder?«
Julie und Daniel schauten sich einen Augenblick entgeistert an und fingen dann auch zu lachen an.
»Du hast ja Recht. Kaum zu glauben, dass du es ja eigentlich immer warst, der eine Schwäche für Schauergeschichten hatte.«
»Na ja, wenn alle plötzlich anfangen durchzudrehen, muss ja wenigstens einer einen kühlen Kopf bewahren und dich auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Wir haben nämlich noch sehr viel Arbeit und keine Zeit zu verlieren. Ich möchte hier nicht länger als unbedingt nötig bleiben. Irgendwie gefällt mir das Schloss nicht mehr.«
»Ja sicher, du hast wie immer Recht. Wir haben schon zuviel Zeit vergeudet.« Da fiel ihr Daniel wieder ein. »Ich will nicht irgendwie unhöflich klingen, aber was wolltest du hier? Ich meine, dein Besuch hatte doch sicher einen Grund.«
»Ich wollte euch zu der verabredeten Wanderung abholen.« Sie hatte es also tatsächlich vergessen.
Julie wurde knallrot. »Oh, das habe ich ja vollkommen vergessen! Aber wir können ja immer noch gehen. Peter, warum hast du mich denn nicht daran
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