Dunkles Feuer
Tropfen Wasser.
Und er war nicht so egoistisch, nur um einer kleinen Chance willen Julie für den Rest ihres Lebens dieses Wissen aufzubürden. Er hatte Angst davor, wie sich die Freundschaft in ihrem Blick in Mitleid verwandeln würde, weil sie ihm nicht das geben konnte, was er sich wünschte. Doch noch mehr fürchtete er, dass sie ihm aus Dankbarkeit oder Freundschaft genau das geben würde, um dann später, vielleicht erst nach Jahren, zu erkennen, dass sie die falsche Entscheidung getroffen hatte.
Aus welchen Gründen auch immer, es war nun zu spät. Sein Verstand konnte den Verlust, den er in seinem Herzen spürte, noch gar nicht fassen. Das einzige, was er fassen konnte, war sein Entschluss, den er in der Kirche getroffen hatte: Immer für Julie da zu sein und das einzige, was ihm blieb, nämlich ihre Freundschaft, niemals aufzugeben. Aber er hatte nicht gewusst, auf was er sich damit einließ.
Denn jetzt stand sie direkt hinter ihm. Und ihm wurde bewusst, was dieses Versprechen von ihm fordern würde. Damals in der Kirche war es ihm so klar, so einfach vorgekommen. Er würde sich einfach zusammenreißen müssen, so wie bisher. Doch damals hatte er noch nicht mit ansehen müssen, wie Daniel diese Lippen küsste, dieses Gesicht streichelte. Er hatte nicht das Leuchten in Julies Augen sehen müssen.
Jetzt wurde ihm klar, dass diese Bürde zu schwer für ihn war, dass er diese Qual nicht Tag für Tag ertragen könnte, ohne eines Tages Daniel dafür zu hassen. Er spürte, wie ein Kloß in seiner Kehle emporstieg, und wäre Julie nicht im Zimmer gewesen, er hätte laut aufschluchzen können, weil seine Gefühle einfach übermächtig wurden. Doch stattdessen schluckte er nur schwer.
Es konnte nur eine Lösung geben, wollte er seine Selbstachtung erhalten. Er konnte nicht sein Leben lang der Frau eines anderen nachtrauern. Und das würde er, unabhängig davon, ob dieser andere Daniel war oder nicht. Er musste fort von ihr, auch wenn er damit seine einzige Hoffnung auf ein glückliches Leben verließ.
Peter schaute mit trüben Augen hoch und merkte, dass Julie ihn die ganze Zeit angestarrt hatte. Wie lange mochte sie ihn schon beobachtet haben? Peter wusste es nicht. Er hatte in einigen Minuten das Leid eines ganzen Lebens erfahren.
Julie merkte, dass mit Peter etwas nicht stimmte. Sie merkte, dass ihn irgendetwas innerlich quälte und leiden ließ. Es beunruhigte sie, dass sie den Grund dafür nicht kannte. Früher hatten sie keine Geheimnisse voreinander gehabt, kannten stets das Leid und die Sorgen des Anderen. Und nun nicht mehr.
Das schlechte Gewissen regte sich in Julie. In den letzten Tagen hatte sie ihn wirklich vernachlässigt, war ständig nur mit der Arbeit und mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt gewesen und hatte Peter dabei zu kurz kommen lassen.
Eine Woge des Bedauerns überkam sie, als ihr bewusst wurde, dass Peter schon seit einigen Tagen immer trübsinniger und verschlossener wurde. Und sie war nicht für ihn da gewesen, hatte ihn mit seinen Sorgen allein gelassen, obwohl er für sie immer Zeit und Verständnis gehabt hatte.
Nun drängte es sie, alles wieder gut zu machen, ihm zu zeigen, wie wichtig er für sie war und wie einzigartig ihre Beziehung. Ihm zeigen, dass er jederzeit zu ihr kommen konnte, mit allem, was ihn belastete.
Sie ging auf ihn zu und umarmte sanft seine Schultern.
»Na, was ist los?« flüsterte sie leise. Sie spürte, wie Peters Körper sich versteifte und er den Kopf abwandte. Nun war sie wirklich beunruhigt.
»Hey, komm schon, du kannst mit mir doch über alles reden«, drängte sie, da sie sein hartnäckiges Schweigen nicht verstand. »Peter, was hast du denn?« fragte sie eindringlich.
»Nichts.« Es klang rau, beinahe wie ein Flüstern. Er räusperte sich, zwang sich zu einem gequälten Lächeln.
»Mir geht's gut, wirklich.« Mit diesen Worten löste er sich aus ihrer Umarmung und stand auf. »Die Arbeit wartet«, meinte er entschuldigend und verließ das Zimmer.
Ratlos blieb Julie in der Mitte des Raumes stehen.
Sie hatte auf einmal Angst, dass Peter für immer aus ihrem Leben verschwinden könnte.
Aufgeregt und nervös ritt Daniel zum Hoftor. Am Zügel führte er ein anderes Pferd, einen schönen braunen Hengst, mit einem großen weißen Fleck auf der Stirn. Dieser Hengst war für Julie bestimmt. Er hatte ihren ersten gemeinsamen Ausritt schon lange vorher geplant, doch noch hatte sich keine Gelegenheit ergeben, das Vorhaben auszuführen.
Jetzt schien ihm endlich der
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