Dunkles Feuer
ihn beschäftigte, oder er ließ es ganz. Niemals würde er die besondere Vertrauensbasis ihrer Freundschaft außer Acht lassen und sich wie ihr heimlicher Verehrer aufspielen.
Doch wer kam sonst noch in Frage?
Unwillkürlich drängten sich Julie die Erzählungen über die amourösen Abenteuer des Schlossgespenstes auf. Aber es konnte doch nicht real sein.
»Vielleicht haben mir ja ein paar Kinder einen Streich gespielt, weil sie gemerkt haben, dass du dich für mich interessierst«, meinte Julie unsicher.
Es war offensichtlich, dass Daniel nicht daran glaubte, doch er ließ es dabei bewenden.
Beide waren nun daran interessiert, das Gespräch auf andere Themen zu bringen, und so verbrachten sie den Rest des Picknicks in angenehmer Unterhaltung über die Kindheit, Freunde und Beruf.
Ab und zu, wenn Peters Name fiel, verdüsterte die Besorgnis für einige Augenblicke Julies Stimmung, doch sie hielt an ihrem Beschluss fest, sich bei ihrer Rückkehr darum zu kümmern, anstatt vor sich her zu grübeln, ohne etwas ändern zu können.
Nach einer Weile schaute Julie auf ihre Uhr. »Schon fünf Uhr! Daniel, bitte lass uns zurückreiten. Ich habe Peter lange genug mit der Arbeit allein gelassen!«
»Ja, natürlich.« Obwohl er es bedauerte, den Ausflug jetzt schon zu beenden, hatte er auch Verständnis für Julies Sorge. Er wollte schon aufstehen, um abzuräumen. Doch Julie hielt ihn an den Schultern fest und blickte ihm in die Augen. »Es war ein wundervoller Tag, ich danke dir, Daniel. Ich werde diesen Ausflug bestimmt niemals vergessen.«
»Ich auch nicht.« Daniel lächelte sie verliebt an. Dann standen sie beide auf und begannen zusammen abzuräumen.
»Na, wie wär's mit einem kleinen Rennen?« schlug Daniel vor. Sie waren bereits auf dem Heimweg und nur noch etwa eine Viertelstunde vom Schloss entfernt.
»Ich weiß nicht, Daniel, lieber nicht.« Julie hatte auf einmal ein ungutes Gefühl.
»Ach, komm schon, Julie. Nur ein kleines Rennen. Sagen wir bis zu diesem Hügel da vorne. Es wird bestimmt ein Spaß, was sagst du?«
»Na gut, wenn du darauf bestehst«, gab Julie widerwillig nach.
»Auf die Plätze, fertig, los!« kommandierte Daniel. Sie spornten ihre Pferde an und jagten los.
Erst flogen sie Kopf an Kopf dahin, dann begann Daniel langsam, einen Vorsprung zu gewinnen. Julies Ehrgeiz war geweckt. Sie genoss den rasanten Galopp und spornte ihr Pferd immer weiter an.
Plötzlich geriet sie ins Straucheln. Ihr Pferd war gestolpert. Julie konnte nicht sagen, was die Ursache gewesen sein mochte, sie war nur darauf konzentriert, sich im Sattel zu halten. Endlich hatte sie die Kontrolle wieder, doch Daniels Vorsprung war nicht mehr aufzuholen. Sie überlegte schon, ob sie das Rennen für nichtig erklären sollte. Doch auf einmal geschah alles so furchtbar schnell, obwohl sie es wie in Zeitlupe erlebte.
Daniel schien bemerkt zu haben, dass Julie zurückgefallen war. Ohne sein Pferd zu verlangsamen, richtete er sich in seinen Steigbügeln auf und sah sich nach Julie um. Die Wiese vor ihm war eben, keine Bäume in Sicht. Es hätte ihm nichts passieren dürfen. Doch mit erschreckender Deutlichkeit sah Julie, wie sein Sattelriemen riss und Daniel hilflos seitwärts aus dem Sattel flog. Wie in Trance raste Julie zur Unfallstelle, sprang ab und kniete sich neben dem bewusstlosen Daniel nieder.
»Oh mein Gott, Daniel, tu mir das nicht an, bitte, tu mir das bloß nicht an«, stammelte sie, während sie verzweifelt nach ihrem Handy suchte, bis ihr einfiel, dass sie es im Schloss vergessen hatte. »Verdammt!« fluchte sie, während ihr hilflose Tränen in die Augen schossen. Sie zwang sich zur Ruhe und fühlte nach Daniels Puls. Er war schwach, aber gleichmäßig. Sie erinnerte sich zwar noch dunkel an den Erste-Hilfe-Kurs von der Fahrschule, doch sie wusste einfach nicht, was sie davon anwenden konnte. Daniel schien keine Verletzungen zu haben. Auch sonst schien ihm nichts zu fehlen. Aber er kam einfach nicht zu sich.
Es half nichts. Sie musste ihn hier lassen und Hilfe holen. Hoffentlich tat sie das Richtige, indem sie ihn allein ließ. Doch andererseits konnte sie ihm sowieso nicht helfen. Sicherheitshalber drehte sie ihn in die stabile Seitenlage. Sie war sich nicht sicher, doch konnte man damit wohl nichts falsch machen, da nichts gebrochen zu sein schien. Julie drückte Daniel einen schnellen Kuss auf die erschreckend kalte Stirn, sprang in den Sattel und jagte davon.
Eine halbe Stunde später sah Julie mit Tränen in den
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