Dunkles Feuer
durch den jedoch tief in ihrem Inneren ein Zweifel gesät wurde. Konnte es wahr sein?
Nicht jetzt, dafür hast du später noch genug Zeit, drängte ein anderer Teil von ihr. Jetzt gab es nur sie und das Pferd. Sie musste nur schnell genug sein, vielleicht gelang es ihr dann tatsächlich, der Realität zu entfliehen.
Daniel musste sich anstrengen, um mit Julie Schritt zu halten. Sie war eine tolle Reiterin.
Er beobachtete ihre stolze Haltung, den nach vorne gerichteten Blick, die vor Vergnügen geröteten Wangen und die leicht geöffneten Lippen. Er nahm ihr Bild in sich auf, wie sich ihr Körper im Takt mit dem galoppierenden Tier bewegte.
»Hey, Julie, warte auf mich«, rief er, als er sie einholte.
Julie blickte ihn an. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie vor schierer Freude lachte. »Oh, danke, Daniel!« rief sie, wobei sie sich bemühte, zu Atem zu kommen, und zügelte ihr Pferd. »Das ist ja ein ausgezeichnetes Tier!«
»Ja, er passt gut zu seiner Reiterin.«
»Findest du?« Sie sah ihn keck von der Seite an. »Ich war mir gar nicht mehr sicher, ob ich mich überhaupt noch im Sattel halten könnte.«
»Wie lange bist du nicht mehr geritten?«
»Das ist schon Jahre her.«
»Wieso, habt ihr im Süden etwa keine Pferde?«
»Doch, natürlich, aber nicht viel Zeit.« Sie verschwieg ihm, dass nach dem Tod ihres Vaters ihre finanzielle Lage auch etwas gespannt war - es war schwer, Aufträge zu bekommen.
Daniel spürte, dass ihr dieses Thema nicht angenehm war. »Also, mein Angebot steht wirklich noch.«
Sie zog fragend die Augenbrauen hoch.
»Solange du noch hier bist, kannst du über meinen Pferdestall frei verfügen. Wann immer du Lust hast, brauchst nicht mal zu fragen.«
»Danke, Daniel.« Julie lehnte sich zu ihm herüber und drückte sanft seine Hand. Sie sahen sich schweigend an. Es versprach ein wunderschöner Nachmittag zu werden.
Für das Picknick hatte Daniel sich eine kleine, schattige Lichtung ausgesucht, in deren Mitte ein dicker alter Baumstumpf etwa kniehoch herausragte. Julie und Daniel nahmen auf seinen Wurzeln Platz, die wie knorrige Schlangen um den Stumpf herum auseinander strebten.
Dieser Tisch der Natur wurde von Daniel mit den herzhaften ländlichen Spezialitäten gedeckt, auf die sich seine Haushälterin so meisterhaft verstand.
Julie sah sich um. Es war einfach wunderschön, fast wie in einem Märchen: ein Zauberwald, eine geheime Lichtung, sogar ein Eichhörnchen, das die beiden Eindringlinge von seinem Ast aus neugierig betrachtete.
»Oh, Daniel, du hast bestimmt das schönste Fleckchen Englands gefunden!«
Es ist zwar schön, aber unpraktisch, dachte Daniel. Von seiner Wurzel aus war es ihm unmöglich, unauffällig seinen Arm um Julie zu legen.
Laut sagte er jedoch: »Ich wollte diesen Platz nur mit einem ganz besonderen Menschen teilen.« Er sah ihr tief in die Augen.
Den Blick nicht von einander nehmend, neigten sie sich einander zu, bis nur noch wenige Zentimeter ihre Gesichter trennten. Julie schloss erwartungsvoll die Augen, gleich würde sie Daniels Lippen auf den ihren spüren.
Doch gerade in diesem Augenblick, dem unpassendsten von allen, tauchte plötzlich Peters Gesicht vor ihrem inneren Blick auf. Julie riss die Augen auf. Daniel sah sie verwundert an.
»Julie, was ist los?«
Sie lächelte entschuldigend, doch der Moment war vorbei. Sie richtete sich wieder auf.
»Daniel, es tut mir leid, ich kann nicht. Es ist wegen Peter.«
»Oh, ich verstehe«, war alles, was Daniel erwidern konnte.
»Nein, nein, es ist nicht so«, beeilte sich Julie, seinen Eindruck zu korrigieren. »Es ist nur ... Du hattest Recht, etwas stimmt nicht mit ihm. Ich weiß bloß nicht, was.«
Aber ich hätte es herausfinden können, meldete sich ihr schlechtes Gewissen wieder zu Wort. Ich hätte ihn jetzt nicht allein lassen dürfen. Er hätte mich in so einer Situation bestimmt nicht mit meinen Sorgen allein gelassen. Er hätte mich getröstet, hätte mit mir geredet, wäre einfach nur da gewesen und hätte mir durch seine Gegenwart Kraft und einen Halt gegeben. Und ich stelle ein Abenteuer im Wald vor das Wohl meines besten Freundes, vor Peters Wohl! Ich hätte ihn auf keinen Fall allein lassen dürfen. Auch wenn er mich fortgeschickt hatte, ich hätte es besser wissen müssen. Einmal hat er mich gebraucht, und ich habe versagt.
Aber andererseits hätte sie auch so nicht viel tun können, versuchte sie sich zu rechtfertigen. Manchmal war es wirklich besser, Peter einige Zeit zu lassen, um zu sich selbst zu
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