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Dunkles Feuer

Dunkles Feuer

Titel: Dunkles Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elvira Zeissler
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fürsorgliche Art, mit der er sich um sie kümmerte, waren meistens schon genug, damit es ihr besser ging.
Peter stand auf, holte nach einer kurzen Suche ein Buch hervor und zeigte es ihr. »Soll ich dir vielleicht ein wenig vorlesen?«
Julie sah ihn überrascht an. »Jane Eyre? Ich hätte nie gedacht, dass du dieses Buch freiwillig aufschlägst!« Es war schon immer Julies Lieblingsbuch gewesen. Schon in ihrer Kindheit hatte sie die junge, aber doch so unglaublich willensstarke Frau bewundert, die stets nach ihrer Überzeugung handelte. Und Julie hatte sie schon immer um die große Liebe, die erst hoffnungslos schien und dann doch ein Happy End fand, beneidet. Sie hatte sich schon als kleines Mädchen gefragt, ob eine so reine und innige Liebe tatsächlich existieren konnte und ob sie selber jemals dieses Wunder würde erleben können. Bisher hatte sie noch keine Antwort darauf gefunden.
Doch für Peter war es immer bloß ein schnulziges Mädchenbuch gewesen, voll mit Liebe und Herzschmerz. Umso überraschter war Julie nun, als Peter es sich auf einem Stuhl bequem machte und sie fragte, welche Stelle sie am liebsten hören würde.
»Wo soll ich anfangen? Bei der ersten Begegnung auf der verlassenen Landstraße? Der glühenden Liebeserklärung im Park? Dem verzweifelten Abschied oder dem Wiedersehen?« Peter sah sie schelmisch an.
»Du hast das Buch ja doch gelesen!« schrie Julie ungläubig auf.
»Jeder hat so seine Jugendsünden.« Peter versuchte einen beschämten Gesichtsausdruck.
»Na, so ein einmaliges Angebot kann ich doch nicht ausschlagen.« Plötzlich wurde Julie misstrauisch. »Was muss ich denn als Gegenleistung dafür tun?«
Peter sah sie nachdenklich an. »Wieder lächeln.«
»Ich versuch's.« Julie drückte Peters warme Hand. »Dann fang' doch bei der Stelle an, wo sie die Arbeit als Gouvernante annimmt.«
»Wie du möchtest.« Peter blätterte, bis er die richtige Stelle gefunden hatte, und fing an zu lesen.

Julie hörte Peters leiser und angenehmer Stimme verträumt zu, während vor ihrem inneren Auge die Handlung der bekannten Geschichte zum Leben erwachte. Sie sah Jane so jung und allein einem unbekannten Schicksal entgegenstreben. Während sie zuhörte, schweifte Julies Blick langsam über das Feuer, über Peters vertrautes Gesicht bis hin zu dem kleinen Fenster, das wie ein schwarzes Loch in dem dämmerigen Licht der Stube wirkte.
Plötzlich sah sie etwas am Fenster vorbeigleiten. Erschrocken zuckte Julie zusammen.
»Was ist los?« Peter sah sofort auf.
»Dort draußen ist etwas.«
»Wo?« Reflexartig blickte Peter sich um.
»Ich habe etwas im Fenster gesehen. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, es war ein menschliches Gesicht. Ich glaube, jemand hat uns beobachtet.« Julie hatte Angst.
»Ich sehe mal nach.« Peter nahm sich eine Taschenlampe.
»Peter, nein. Das ist zu gefährlich. Es könnte ein Irrer sein. Lass uns lieber die Polizei rufen.«
»Mach dich doch nicht lächerlich. Es war wahrscheinlich nur ein Nachbar.«
»Dann hätte er bestimmt die Tür benutzt anstatt zu spannen. Anständige Leute tun so etwas nicht.«
»Gleich wissen wir mehr.«
Julie versuchte, die Dunkelheit außerhalb des Fensters mit ihren Blicken zu durchdringen. Kurze Zeit später hörte sie die Eingangstür laut zufallen. Peter war zurück. Sofort hörte sie auch eine andere, ärgerlich klingende Stimme, die ihr sehr bekannt vorkam. »Lassen Sie Ihre Hände von mir. Ich bin doch kein Einbrecher!« beschwerte sich die Stimme.
Daraufhin erschienen Peter und sein "Gast" in der Stube. Mit Unbehagen erkannte Julie den alten Walter. Der alte Mann strich seine Jacke glatt und entfernte einige hängen gebliebene Blätter.
»Guten Abend«, begrüßte er Julie mürrisch.
»Ich habe ihn im Gebüsch entdeckt, als er unauffällig verschwinden wollte«, erklärte Peter.
»Das gab Ihnen noch lange keinen Grund, mich so zu überfallen. Ich bin ein alter Mann, wissen Sie. Ich hätte einen Herzinfarkt bekommen können.« Zufrieden mit seinem Argument setzte er sich hin.
»Was hatten Sie denn überhaupt im Gebüsch zu suchen?« mischte sich Julie in das Gespräch ein.
»Ich wollte nur nachsehen, wie es Ihnen so geht.«
»Gut, danke der Nachfrage. Aber nächstes Mal können Sie ruhig anklopfen und uns das persönlich fragen.«
»Sind Sie sicher?« Er sah sich schnell um. »Es geht Ihnen wirklich noch gut? Allen beiden?«
»Was meinen Sie mit noch?« Julie wurde ärgerlich.
Der Alte ignorierte ihre Frage. »Sind hier vielleicht

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