Dunkles Feuer
hätte ihn jemand mit einem scharfen Gegenstand angeschnitten. Die zweite Hälfte war dann aufgrund des Schnittes weiter gerissen, als Daniel sich in den Steigbügeln umdrehte. Allmählich wurde Peter die ganze Tragweite seiner Entdeckung bewusst. Das bedeutete, dass jemand versucht hatte, seinen Freund zu verletzen, ihn womöglich sogar umzubringen.
Doch wer sollte so etwas tun?
Peter hatte immer den Eindruck gehabt, dass Daniel äußerst beliebt bei den Menschen hier war.
Sein erster Gedanke war es, die Polizei zu rufen. Doch irgendetwas hielt ihn davon ab. Er hatte das Gefühl, dass diese Sache nur sie drei etwas anging: Julie, Daniel und ihn selbst. Vielleicht fürchtete auch ein Teil von ihm, dass er dadurch eine noch größere Gefahr auf sie alle heraufbeschwören könnte. Er beschloss, sich erst einmal auf eigene Faust umzuhören. Er war jetzt gewarnt und würde einfach besser aufpassen müssen.
Ob er Julie einweihen sollte?
Aber wozu denn. Er sollte sie nicht unnütz beunruhigen. Sie machte sich schon genug Sorgen wegen Daniel.
Erwartungsvoll blickten die beiden Frauen hoch, als Peter in die gemütliche Küche eintrat.
»Haben Sie etwas entdeckt?«
»Nein, nein. Alles bestens.« Die Haushälterin wandte sich beruhigt wieder ihrem Tee zu.
»Äh, sagen Sie mal, ist es Daniels Sattel da in der Box gewesen?« Peter fragte nur so, um ganz sicher zu sein.
»Ja, das ist er. Ist bei dem Sturz wohl kaputt gegangen. Ich wollte morgen einen neuen Riemen besorgen. Soll alles wieder in Ordnung sein, wenn der Junge wieder nach Hause kommt. Weshalb fragen Sie?«
»Nur so, hat mich einfach interessiert. Ein schöner Sattel.«
Julie blickte Peter skeptisch an. Hier stimmte etwas ganz und gar nicht. Aber sie mussten das nicht hier vor der netten Dame klären. Später war dafür noch genügend Zeit.
Bald verabschiedeten sich die beiden und machten sich auf den Heimweg. Aber auch während der Fahrt gelang es Julie nicht, auch nur den kleinsten Hinweis aus Peter herauszubekommen. Er wich allen ihren Fragen aus und hielt an seiner Alibi-Geschichte fest.
Da griff Julie zu ihrem letzten Mittel - sie schmollte.
Doch auch dabei blieb die erhoffte Wirkung aus. Peter nahm sie nur bei der Hand und bat sie, ihm einfach zu vertrauen. Sie wusste doch, dass er immer nur ihr Bestes wollte und nie etwas tun würde, das ihr schadete.
Julie war mit der Antwort zwar nicht zufrieden, doch sie erkannte, dass sie vorerst keine andere erhalten würde.
Schweigend fuhren sie das letzte Stück bis zum Schlossgelände. Als Peter um die letzte Kurve bog, bemerkte Julie neben dem Tor eine viel zu vertraute Gestalt.
»Oh nein, nicht der schon wieder«, stöhnte sie auf.
Walter hatte offensichtlich versucht herauszufinden, ob Julie und Peter noch im Schloss weilten oder ob sie seinen Rat befolgt hatten. Da er ihr Auto auf dem Hof nicht gesehen hatte, hatte er sich schon der Hoffnung hingegeben, sie wären abgereist.
»Geh' du ruhig schon mal rein, ich werde sehen, ob ich ihn loswerden kann«, schlug Peter vor. Julie nickte dankbar mit dem Kopf.
Peter hielt den Wagen an und stieg aus. »Kann ich Ihnen helfen?« fragte er Walter, während Julie schnell an Walter vorbeiging und auf den Eingang des Schlosses zu eilte.
Traurig blickte der alte Mann ihn an. »Sie sind ja immer noch hier.«
»Wir hatten keinen Grund wegzufahren. Wir verstehen ja, dass Sie aufgebracht sind, aber das hier ist unsere Arbeit, da können wir nicht einfach so weg.«
»Sie verstehen gar nichts.«
Peters Geduld war am Ende. Wieso sagte ihm bloß jeder, er würde nichts verstehen? Langsam hatte er das Gefühl, sie machten sich alle über ihn lustig.
»Ist das hier ein Volkssport, oder was? Wer vertreibt die meisten Fremden mit gruseligen Warnungen? Tut mir leid, bei uns klappt das nicht.«
»Regen Sie sich doch nicht auf. Ich mache mir Sorgen um Sie. Auch wenn Sie es nicht glauben wollen, Sie befinden sich in großer Gefahr.«
»Das habe ich schon mehrmals gehört. Wenn Sie mir nichts Neues erzählen können, muss ich Sie bitten, sich von diesem Gelände zu entfernen, damit wir unsere Arbeit machen können. Wissen Sie, je schneller wir fertig sind, desto schneller gehen wir auch weg von hier.«
»Aber dann könnte es schon zu spät sein.«
Schon wieder diese ominöse Warnung! Peter verstand es einfach nicht mehr. Warum konnten die Leute sie einfach nicht in Ruhe lassen? Er wusste gar nicht, warum er soviel Zeit darauf verschwendete, mit verwirrten, alten Menschen zu sprechen.
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