Dunkles Geheimnis
wäre.
Mir war klar, was die dachten.
Tea ging auf die Duschen zu, ganz normal, ohne ihren weißen Stock.
Ich eilte hinterher.
„Warte, ich helfe dir“, sagte ich laut. „Ich drehe das Wasser auf und dann stelle ich mich in die Dusche neben dir. Du kannst ganz beruhigt sein.“
Dabei schielte ich zu den kichernden Mädchen rüber.
Hörten sie das?
Das Gekicher war jäh verstummt. Allmählich kapierten sie. Die ist ja irgendwie behindert. Oh je!
Aber sie konnten es nicht lassen, Tea auch weiterhin zu beobachten. Als wollten sie sehen, ob sie auch mit allem klarkommen würde.
Ich hatte meine Dusche kaum aufgedreht, als Tea die ihre abstellte, weil sie schon fertig war.
„Die Sauna ist rechts“, fuhr ich mit unverändert lauter Stimme fort. „Warte, ich komme gleich.“
Als ich ihr die Tür aufhielt, schlug mir die Wärme entgegen. Tea kletterte gelenkig ganz nach oben und setzte sich auf ihr Handtuch.
Ich kletterte ihr hinterher, lehnte mich an die heiße Wand und atmete auf.
„Sind wir allein?“, fragte Tea.
„Ja.“
Sie lachte kurz.
„Die haben mich angegafft wie blöd, oder?“
Ich errötete in der Hitze. War ja klar, dass sie das kapiert hatte.
„Mh.“
„Daran gewöhnt man sich. Ich meine, als Begleitung. Ich selbst brauche sie ja nicht zu sehen.“
In dem schweißglänzenden Gesicht war keine Bitterkeit zu sehen. Ihr Haar kräuselte sich in der feuchten Wärme. Wenn sie nur selbst hätte sehen können, wie hübsch sie war!
„Echt lieb von dir, mich mitzunehmen“, sagte sie, nachdem wir eine Zeit lang geschwiegen hatten.
„Ach was, ich freu mich doch, dass du mitgekommen bist“, entgegnete ich.
Als wir aus dem Umkleideraum herauskamen, konnte ich mich endlich entspannen. Papa war schon im Wasser und würde jetzt ebenfalls auf Tea aufpassen. Wenn es überhaupt nötig war. Tea schlüpfte ins Schwimmbecken und schwamm davon. Aber es dauerte noch eine gute Weile, bis ich es riskierte, sie aus den Augen zu lassen und einzusehen, dass sie gut allein zurecht kam.
Das Schwimmbecken war halb leer. Am unteren Ende warfen drei Jungs einen Ball hin und her, außerdem zog eine ältere Frau ihre täglichen Bahnen.
Ich tauchte ins Becken, glitt ein paar Meter unter Wasser und schwamm dann rasch ein paar Bahnen. Ab und zu sah ich mich nach Tea um. Sie schwamm ruhig in gleichmäßigem Rhythmus und schien das Wasser genauso sehr zu genießen wie ich.
Der schrille Ton einer Trillerpfeife schreckte mich auf.
Wo war Tea?
War ihr etwas passiert?
Ein Mann in Shorts und Trainingsjacke winkte mir vom Beckenrand aus mit beiden Armen zu.
„Hallo, Svea!“
Das war Jerry, mein alter Schwimmtrainer!
Ich kraulte mit aller Kraft zu ihm und hievte mich auf den Beckenrand.
„Das kannst du auch schneller“, behauptete er.
„Hör bloß auf!“, schnaubte ich und stellte mich vor ihn hin.
Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen zwinkerte er mir zu.
„Hab bloß Spaß gemacht! Schön, dich zu sehen!“
„Gleichfalls. Was machst du hier?“
„Was glaubst du wohl?“
„Echt? Bist du wieder zurückgekommen?“
„Jepp! Und du, wo bist du denn abgeblieben? Ich hätte gedacht, dass du inzwischen die Starschwimmerin des Vereins bist!“
„Na ja …“
„Nein, wirklich. Es heißt, du hast aufgehört. Warum denn?“
„Weil du nicht mehr da warst.“
Ich lächelte, aber wahrscheinlich begriff er, dass ich es ernst meinte.
„Jetzt bin ich da. Wann fängst du an?“
Bevor ich antworten konnte, kam Papa in unsere Richtung geschwommen. Er ließ sich im Wasser treiben, während er zu uns hinaufblinzelte.
„Hallo, Jerry! Bist du wieder da? Schön, dich zu sehen!“
„Gleichfalls. Hör mal, Janne, du musst dafür sorgen, dass deine Tochter wieder mit dem Schwimmtraining anfängt.“
Papa sah mich nachdenklich an.
„Ich weiß nicht recht. Sie hat vollauf mit ihrem Hallenhockey zu tun.“
„Das eine schließt das andere doch nicht aus, oder, Svea?“
„Muss ja auch noch für die Schule lernen“, murmelte ich.
„Hey, was soll das! Gib uns eine Chance! Der Verein braucht dich. Für den Anfang zweimal die Woche Training. Das schaffst du doch?“
Der Vorschlag klang verlockend. Schwimmen war ein gutes Training. Dann könnte ich auf das Jogging verzichten, jetzt, wo es morgens und abends immer kühler wurde.
„Werd’s mir überlegen. Aber rechne nicht damit, dass ich bei irgendwelchen Meisterschaften mitmache.“
„Das wollen wir erst mal sehen. Ruf mich nächste Woche an. Ich hab
Weitere Kostenlose Bücher