Dunkles Geheimnis
noch meine alte Nummer.“
„Mhm.“
Er lächelte und nickte, als hätte ich schon ja gesagt.
„Und jetzt will ich einen eleganten Sprung sehen.“
„Ich bin keine Kunstspringerin“, murmelte ich.
„Und?“
Der Sprungturm sah bedrohlich hoch aus. Ich hatte schon lang keinen Sprung mehr gewagt. Jerrys Blick ruhte auf mir. Das gab mir Kraft. Wie immer gelang es ihm, in mir den Wunsch zu wecken, mein Bestes zu geben.
Ich trotzte meiner Angst, kletterte ganz nach oben und begab mich auf leicht zittrigen Beinen ans äußerte Ende des Sprungbretts. Dort ging ich in die Knie, holte tief Luft und schoss mit ausgestreckten Armen in die Luft hinaus. Meine Arme zerteilten das Wasser direkt vor dem Kopf.
Mir war ein eleganter Sprung gelungen.
Das Wasser leitete Papas und Jerrys Beifallklatschen an meine Ohren. Voller Euphorie schwamm ich an die Wasseroberfläche.
Ich bin richtig gut !
So zuversichtlich hatte ich mich schon ewig nicht mehr gefühlt. Jerrys Lob ließ mich wachsen.
Diese Einsicht machte mich froh.
Und traurig.
Was machte ich da eigentlich?
Hinterher sprach ich in der Sauna mit Tea darüber, dass ich vielleicht wieder mit dem Schwimmtraining anfangen wollte.
„Das klingt ja super, aber hoffentlich hörst du deshalb nicht mit dem Hallenhockey auf?“
Die Versuchung war groß, mit „doch“ zu antworten.
„Ich weiß nicht. Diese vielen Gemeinheiten sind ziemlich ätzend.“
„Dann hätten die fiesen Typen aber gewonnen!“
Ich zuckte zusammen. Wie viel wusste sie? Klar, Ted hatte ihr wohl das meiste erzählt.
Ich seufzte.
„Du hast recht. Und das ist auch der einzige Grund, warum ich trotzdem weitermache.“
So war es tatsächlich, sagte ich mir verbittert.
Wir schwiegen.
„Nimmst du mich noch mal zum Schwimmen mit?“, fragte sie dann leise.
Ich musste mich erst an den neuen Gedanken gewöhnen, dass es mir keinen Spaß mehr machte, Hallenhockey zu spielen und zögerte darum ein klein wenig zu lang mit meiner Antwort.
Sie atmete ein.
„Tut mir leid, du hast natürlich jede Menge Freunde. Sorry. Ich wollte mich nicht aufdrängen.“
„Was? Nein, ich musste nur gerade an was anderes denken. Natürlich nehme ich dich wieder mit!“
Zufrieden lächelnd lehnte sie sich an die Wand.
Das tat ich auch, obwohl mir brennend heiß wurde. Aber nicht von der Wärme in der Sauna, sondern von der neuen Einsicht, die ich soeben gewonnen hatte.
Sie war davon ausgegangen, dass ich selbstverständlich jede Menge Freunde hatte.
Aber hatte ich das?
Und wenn, wo steckten die dann in letzter Zeit?
SONNTAG
Alexander ließ nichts von sich hören, nicht einmal, um mir zu erzählen, wie das Training am Freitag gelaufen war. Das machte mich so sauer, dass ich auch keine Lust hatte, ihn anzurufen.
Aber Jo rief mich an.
Genau zur rechten Zeit, spätabends, als meine Angst vor dem kommenden Schultag mir wie ein eiskalter Klumpen im Magen lag.
Die Vorstellung, wieder allen Blicken ausgesetzt zu sein, ließ mich fast wünschen, ich wäre tot.
Genau in diesem Moment rief Jo an. Sie fragte, wie es mir ging, und ich antwortete: „rate mal.“
Da bat sie mich, am nächsten Morgen an der Bushaltestelle auf sie zu warten.
Wir würden zusammen ins Schulhaus gehen.
Sie und ich.
Das ließ mich ein paar Tränen auf Wuffs raues Fell vergießen.
Aber Wuff schaffte es kaum, meine Tränen abzulecken, sie keuchte nur und sah mich an. Da musste ich noch mehr weinen.
„Du darfst nicht krank sein“, flüsterte ich.
Wir mussten sie ins Krankenhaus bringen. Die Zeit würde ihre Krankheit nicht heilen.
Ich streichelte sie langsam, bis sie ruhig atmete und einschlief.
Aber ich lag wach und wünschte mir, wieder klein zu sein und jeden Tag als neues spannendes Abenteuer sehen zu können.
MONTAG
An mein Fahrrad gelehnt, wartete ich an der Ampel auf Jo.
Der Bus hatte Verspätung, und als er endlich oben hinter der Biegung auftauchte, war ich schon ordentlich nervös geworden.
„Shit, jetzt sind wir spät dran! In Vårsta ist eine Kita-Gruppe eingestiegen und es hat eine Ewigkeit gedauert, bis sie sämtliche Kids reingequetscht hatten.”
Ich schüttelte den Kopf.
„Wir kommen noch rechtzeitig. Ich nehm dich hintendrauf.“
Sie hüpfte auf den Gepäckträger, dann strampelte ich in Richtung Schule los.
„Wie läuft’s?“, fragte sie.
„So la la.“
„Und Alex hat natürlich angerufen und versprochen, zu dir zu halten?“
„Na klar doch!“
„Glaubt er dir denn?“
„Das behauptet er zwar,
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