Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkles Indien

Dunkles Indien

Titel: Dunkles Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudygard Kipling
Vom Netzwerk:
Carnehan hatte sich in die Encyclopädia vertieft.
    »Da steht eine Masse dummes Zeug drin«, sagte Dravot versonnen, »was brauchen mir wissen, wie die Volksstämme alle heißen! Kriegerisch sind's, und mehr brauchts net für uns. - Von Jagdallak nach Ashang! Hm!«
    »Alles, was da über die Gegend steht, ist doch nur skizzenhaft!« wendete ich ein. »Kein Mensch weiß etwas Genaues. Hier der Bericht der United Services Institution. Lesen Sie, was Bellew schreibt!«
    »Ich pfeif auf den Bellew!« murrte Garnehan. »Dan! A stinkete Heidenbande sind's, des is gwiß, aber da steht, sie bilden sich ein, daß sie mit die Engländer verwandt sin.«
    Ich blies Tabakwolken vor mich hin, während die beiden unentwegt über den Werken von Raverty und Wood und den Landkarten hockten und in der Encyclopädia nachschlugen.
    »Sie brauchen fein net warten!« sagte Carnehan aufblickend, »mir hamm jetzt vier Uhr. Vor sechse gehn mir net, und wenn Sie schlafen wollen - stehlen tun mir nix! Bleiben S' doch net auf! Mir san zwei harmlose Narren. Wann Sie morgen abend ins Serai kommen, werden mir uns von Ihnen verabschieden.«
    »Weiß Gott, ihr seid wirklich zwei Narren!« sagte ich. »Man wird euch entweder gar nicht über die Grenze lassen oder euch die Kehle durchschneiden. Braucht ihr Geld oder eine Empfehlung bis Peshawur? Eine Woche kann ich euch schließlich durchhelfen.«
    »Dank schön«, sagte Dravot, »die nächste Woche werden mir alle Hand voll zu tun haben: es ist nicht so leicht, König werden, wie sichs von weitem anschaut. Aber wenn wir unser Reich in Ordnung gebracht haben, dann schreiben wir Ihnen; Sie können nachher hinaufkommen und uns regieren helfen.«
    »Glauben Sie vielleicht, daß zwei Narren einen solchenen Kontrack aufsetzen würden?« fragte Carnehan mit schlecht verhehltem Stolz und wies mir einen großen halben Bogen Schreibpapier, auf dem folgendes zu lesen stand. - Ich kopierte es wegen seiner Seltsamkeit:
    »Diesen Kontrack ham mir aufgesetzt und unterschriehben, Gott zum Zeugen anruffend. Amen.
    Erschtens: daß mir, er und ich, die Sache deichseln werden, nämlich Könige von Kafiristan zu werden.
    Zweitens: daß mir, solange die Sache gedeichselt wird, keinen Schnaps und kein Weibsbild nicht anrühren werden weder ein weißes, noch ein schwarzes, oder ein braunes.
    Drittens: daß mir uns mit Würde und Diskretion aufführen werden, und wenn einer von uns in den Saft kommt, muß ihm der ander beistehen.
    Unterzeichnet von Dir und Mir am heutigen Tag.
    Peachey Taliaferro Carnehan.
    Daniel Dravot.
    Beides Ehrenmänner in jeder Hinrichtung.
    »Der Schlußsatz hätt natürlich gar nicht dastehen brauchen«, erklärte Carnehan und errötete züchtig; »denn so was versteht sich von selber. Sie wissen jetzt, was für eine Sorte Menschen die Landstreicher sind! Und mir sin Landstreicher, der Dan und ich, bis mir Indien im Rücken haben. Glauben Sie noch immer, daß mir einen solchen Kontrack unterzeichnet hätten, wann mirs nicht im Ernst meinen täten? Mir hamm auf die zwei Dinge verzichtet, die wo das Leben lebenswert machen!«
    »Ihr werdet euch des Lebens nicht lang erfreuen, wenn ihr nicht bald euer verrücktes Vorhaben aufgebt!« sagte ich. »Setzt die Bude gefälligst nicht in Brand und geht noch vor neun Uhr weg.«
    Dann ließ ich sie allein mit den Landkarten und störte sie nicht weiter im Notizenmachen, wobei sie die Rückseite auf ihrem »Kontrack« beschmierten. »Vergessen S' nicht, morgen auf den Serai zu kommen!« waren ihre Abschiedsworte.
    Der Kumharsen-Serai ist der große viereckige Menschheitsschmutzwinkel, auf dem ganze Herden von Kamelen und Pferden aus dem Norden beladen und entladen werden. Alle Nationen Zentralasiens kann man dort vertreten finden; Balkh und Buchara kommt dort mit Bengalen und Bombay zusammen, um sich gegenseitig übers Ohr zu hauen, bis die Augen triefen. Die meisten sind natürlich Inder. Man kann im Serai Ponys kaufen, Türkise, persische Katzen, Satteltaschen, Fettschwanzschafe und Moschus, auch allerhand sonderbare Dinge - für fast nichts. Am Nachmittag ging ich hin, um zu sehen, ob meine Freunde wirklich Wort zu halten gedächten, oder es vorzögen, betrunken dort herumzuliegen.
    Ein Priester, gehüllt in Fragmente aus Bändern und Lumpen, in der Hand eine papierene Kinderwindmühle, stelzte mit feierlicher Miene umher. Hinter ihm sein Diener, keuchend unter der Last eines Packkorbes, gefüllt mit schmutzigem Spielzeug. Dann beluden sie damit ein Kamel,

Weitere Kostenlose Bücher