Dunkles Indien
während ihnen die Leute des Serais zusahen und vor Lachen brüllten.
»Der Priester ist verrückt«, schrie mir ein Pferdehändler zu, »er will nach Kabul, um dem Emir Spielzeug zu verkaufen. Er glaubt, man wird ihm dort eine Ehrenstelle geben. Den Kopf werden sie ihm abschneiden! In der Früh ist er hergekommen und hat sich seitdem wie ein Narr benommen.«
»Wahnsinnige stehen unter dem Schütze Gottes!« stam melte ein flachwangiger Usbeg in gebrochenem Hindi, »sie können die Zukunft voraussagen.«
»Warum haben sie mir denn dann nicht vorausgesagt, daß meine Karawane von den Shinwaris abgefangen werden würde, gerade in dem Augenblick, als ich fast schon in dem schützenden Schatten des Passes angelangt war!« - grunzte der Eusufzai eines Radschputana-Warenhauses, dessen ganzes Hab und Gut einst in die Hände von Räubern, knapp an der Grenze, gefallen war und der seitdem die Zielscheibe des Bazars geworden war. »Ohé, Priester, woher kommst du und wohin ziehst du?«
»Von Roum bin ich gekommen«, gellte der Priester und ließ seine Papierwindmühle spielen, »von Roum, wo der Atem von hundert Teufeln über den See bläst! O ihr Diebe, ihr Räuber, ihr Lügner, der Segen Pir Khans ruht auch auf Säuen, auf Hunden, auf Beschwörern! Wer von euch nimmt den Schützling Gottes mit sich nach Norden, damit er dem Emir Zauberamulette verkaufen kann? Seine Kamele sollen nicht wund werden und seine Söhne nicht krank; seine Weiber sollen ihm treu bleiben, solange er fort ist! Das wird mein Segen sein für den, der mich mitnimmt. Wer will mir beistehen, dem König der Roos goldene Pantoffel zu bringen mit silberner Ferse? Der Segen Pir Khans wird auf seinem Unternehmen sein!« - und feierlich breitete er die Ärmel seines »Regenmantels« aus und vollführte mitten unter den aneinandergekoppelten Pferden einen phantastischen Tanz.
»In zwanzig Tagen geht eine Karawane vonPeshawur nach Kabul ab, Huzrut!« sagte der Eusufzai. »Meine Kamele gehen mit. Tue desgleichen und bring uns Glück!«
»Jetzt auf der Stelle will ich gehen!« schrie der Priester. »Reisen werde ich auf meinen beschwingten Kamelen und in einem Tage in Peshawur sein! Ho! Hazar Mir Khan«, gellte er seinen Diener an, »treib die Kamele heraus, aber zuerst will ich mein eigenes besteigen.«
Da erst ging mir ein Licht auf, und ich folgte den beiden Kamelen aus dem Serai hinaus, bis wir die offene Straße erreichten, wo der Priester Halt machte.
»No, was sagen S' jetzt?«, fragte er mich auf englisch. »Der Carnehan kann die Sausprach net, drum hab ich ihn zu meinem Diener gemacht. Fein schaut er aus, was? Ja, so ganz umsonst hab ich mich nicht vierzehn Jahr lang in der Gegend herumgeschlagen! Mir werden uns einer Karawane in Peshawur anschließen, bis mir nach Jagdallak kommen, dort wollen mir schauen, ob mir unsere Kamel gegen Esel vertauschen können, und nach Kafiristan nüber rutschen. Kinderwindmühlen für den Emir, Himmel Sakra! Stecken S' amal die Hand unter den Kamelsattel und sagen S', was S' dort spüren!«
Ich fühlte den Kolben eines Martini-Stutzens und noch einen und noch einen.
»Zwanzg Stück hamm mir«, sagte Dravot ruhevoll, »und an Haufen Munition zum ›korrespondieren‹ unter dene Windmühlen und die Dreckpuppen.«
»Gott steh euch bei«, rief ich, »wenn man das Zeug bei euch findet! Ein Martini ist sein Gewicht in Silber wert bei den Pathans.«
»Fufzehnhundert Rupien Kapital - jede Rupie zsamm gebettelt, zsamm geborgt oder zsamm gestohlen - sin jetzt infestiert in zwei Kamelen und der Last!« sagte Dravot stolz. »Uns derwischens net! Mir gehen übern Khaiberpaß mit einer Karawane. Wer wird einen armen Priester anrühren?!«
»Habt ihr auch alles, was ihr braucht?« fragte ich, jetzt wirklich von Staunen erfüllt.
»Heut noch nicht, aber mir Werdens schon kriegen. Geben S' uns eine Erinnerung an ihre Freundlichkeit, Bruder! Sie haben mir gestern eine Gefälligkeit erwiesen und damals eine in Marwar. Mein halbes Königreich steht zu Ihrer Verfügung, wie man so sagt.« Ich löste einen kleinen Anhängekompaß von meiner Uhrkette und reichte ihn dem Priester.
»Servus!« sagte Dravot und reichte mir vorsichtig die Hand. »So bald werd' ich wohl keinem Engländer die Hand schütteln können! Gib auch du ihm die Hand, Carnehan!« schrie er, als das zweite Kamel an mir vorüberkam.
Carnehan beugte sich herab, und wir reichten uns die Hand. Dann zogen die Tiere die staubige Straße weiter, und ich blickte ihnen
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