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Dunkles Licht

Dunkles Licht

Titel: Dunkles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Duncan
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sollte öffentlich auf dem Platz von Amos I. hingerichtet werden.
    »Das ist der Tag nach dem Wohltätigkeitskonzert«, verkündete Sheldon eines Abends, als sie in der Kutsche zu einem Ball fuhren. »Wir müssen direkt dorthin fahren, sonst kommen wir nie durch die Menge.«
    »Ich gehe nicht hin«, sagte Maddy.
    »Aber alle von Rang und Namen werden dort sein. Ich habe einen Stuhl und einen Stehplatz an einem Fenster im dritten Stock ergattert.«
    »Ich bin nicht alle und nicht von Rang und Namen. Du genießt Steak. Bist du je in ein Schlachthaus gegangen und hast zugesehen, wie der Kadaver eines Stiers ausgenommen und gevierteilt wurde?«
    »Das ist ein ekelerregender Vorschlag.«
    »Wenn es ekelerregend ist, was mit einem toten Tier geschieht, warum ist es dann ein Spaß, dabei zuzusehen, wie man so was mit einem lebendigen Mann macht?«
    Er beantwortete diese Frage nicht. »Alle, die nicht hingehen, werden verräterischer Sympathien verdächtigt.«
    »Niemand wird bemerken, ob wir da sind oder nicht. Was hast du für den Platz bezahlt?«
    »Fünf Sonnen.«
    Die Mutter möge uns beistehen!
Die meisten Familien lebten von einem Bruchteil dieser Summe ein ganzes Jahr lang. Der Mann war nicht ganz dicht im Oberstübchen. »Warte bis zum Tag vorher und verkaufe ihn dann für zehn.«
    Er verkaufte ihn für fünfzehn.
    Etwa eine Woche später wurde Maddy nicht lange, nachdem Sheldon ihr Bett verlassen hatte, wachgerüttelt. Durch den Nebel erfuhr sie, dass Sheldon … unten einen Besucher hatte … einen unerwarteten Besucher … sie wartete. Ihre Zofen kleideten sie eilig an, und einmal wenigstens ließ sie sie gewähren, ohne dass sie sich beschwerte oder Anweisungen erteilte. Ihrem Gefühl nach war es etwa Mittag. Ball letzte Nacht, Maske heute Abend … in Rekordzeit wurde sie an der Tür zum Gesellschaftszimmer abgestellt, daraufhin klopfte jemand an und öffnete. Maddy setzte ein gezwungenes Lächeln auf und trat ein.
    Die beiden Männer standen auf, und sie hatte keine Ahnung, wer der andere war. Er war um die vierzig und körperlich gesehen ziemlich unscheinbar, mit schmalen Schultern und einem schütteren Spitzbart. Auch ansonsten war er recht unansehnlich, da er unauffällig, fast bescheiden, in Braun gekleidet war, obwohl unter seiner Weste ein kleiner, edelsteinbesetzter Orden steckte. Die Männer verneigten sich vor ihr. Sie knickste vor ihm und vereinnahmte ihren Lieblingssitz zum Befragen möglicher Gönner.
    »Tee?«, murmelte Sheldon. »Wir haben gerade Tee und, äh, etwas Gebäck, während wir, äh …« Er war weit entfernt von seinem üblichen prahlerischen Selbst. Die Augen waren rot wie Blut, die Weste schief geknöpft, die Strümpfe waren verknittert, und der Hut saß schief. »Tee …?«
    »Erlaubt«, sagte der andere Mann und griff nach der Teekanne, bevor Sheldon sie fallen lassen oder umstoßen würde.
    »Sehr freundlich von Euch … äh …« Sheldon hatte die Vorstellung so leise gemurmelt, dass Maddy keine Ahnung hatte, wer dieser Käfermann war. Vor einigen Wochen hatte sie irgendwo einenlangsamen Tanz mit ihm getanzt, überlegte sie. Sie hatte ihn gewiss schon gesehen, aber sein Name …
    Der Besucher schenkte den Tee ein und zog sich zu einem Sessel am Fenster zurück. Er saß da, Füße eng beieinander und Knie zusammengedrückt, sehr förmlich. Dann warf er Sheldon einen Blick zu und sagte: »Ich wünsche allein mit Baronesse Wells zu sprechen.«
    Maddy wurde ruckartig etwas wacher. Dies war ein ernster Bruch der Manieren und des Protokolls. Sheldon würde nie …
    Aber Sheldon sagte: »Ah, äh, ja, natürlich, Euer … äh.« Er huschte hinaus und schloss die Tür.
    Der Mann in Braun lächelte zu ihr herüber.
    Sie erwiderte das Lächeln, wodurch sie natürlich ausdrücken wollte, dass sie gewusst hatte, er könne Sheldon so in die Schranken weisen.
    »Entschuldige bitte die unangemessene Stunde, Maddy«, sagte er. »Und dafür, dass ich mich nicht angemeldet habe. Dringliche Geschäfte, weißt du.«
    »Euer Besuch ist eine Überraschung, aber eine sehr willkommene, Euer, äh, Wohlgeboren. Es ist mir eine große Ehre.« Es war schwer, ihn richtig anzusprechen, wenn sie nicht wusste, ob er »Lord« oder »Euer Wohlgeboren« war oder »Euer Gnaden«. »Eure Exzellenz«, falls er ein Botschafter wäre, obwohl er akzentlos Albiurnisch sprach.
    »Ich habe jetzt schon seit mehreren Tagen versucht, ein paar Augenblicke mit dir zu erhalten, und jetzt war die einzige Zeit, zu

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