Dunkles Spiel der Leidenschaft
hatte, was er war, ein Raubtier, gefährlich und mächtig. Er brauchte
keine Pistole; er konnte der Erde und dem Himmel gebieten. Er konnte das Land
mit Feuer überschütten oder den Boden unter ihren Füßen zum Beben bringen.
Seine Stimme allein konnte andere ihrer Willenskraft berauben. Er war Karpatia-
ner, ein Vampirjäger, ungeheuer stark und unter anderem in der Lage, seine
Gestalt zu wechseln. Er gehörte einer aussterbenden Art an, einer Spezies, die
dazu verurteilt war, über die Kontinente zu ziehen, in einer endlosen Suche
nach dem Licht, das ihre Dunkelheit erhellte, nach der einen Frau, die ihre
andere Hälfte war. Ohne diese Frau verloren die karpatianischen Männer die
Fähigkeit, Gefühle zu haben oder Farben zu sehen, sodass sie in einer düsteren
Schattenwelt lebten, in der sie nur die Erinnerung an Ehre davon abhielt,
denselben Weg wie die Vampire einzuschlagen.
Die beharrlichen Einflüsterungen, die sie zu jener
dunklen
Seite der Macht drängten, klangen ständig in ihren
Ohren, nagten an ihnen, riefen sie, lauerten in ihnen wie ein dunkles, wildes
Tier mit der Lust auf Blut und dem Verlangen, allein dafür zu töten. Im Lauf
der Jahrhunderte nahm die Dunkelheit in ihrem Inneren ständig zu, bis es keine
Hoffnung mehr gab, nur den dunklen, gefährlichen Hunger.
In den ersten Jahrhunderten hatte Dayan das Tier in
seinem Inneren mit seiner Musik und der Lyrik, die er liebte, gebändigt, aber
in den letzten zweihundert Jahren war sein Kampf immer mühsamer geworden. »Vor
kurzem hat sich in unserem Leben eine Veränderung ergeben. Du kennst doch die
Bandmitglieder, oder?«
»Da gibt es natürlich Desari, eure Sängerin, Barack
und Syndil und dich.« Corinne, die seinen Kummer spürte, streichelte seinen
Arm.
»Und Darius, unser Familienoberhaupt und Bewacher. Die
Veränderung, von der ich spreche, war gut für meine Brüder und Schwestern, aber
nicht so gut für mich. Zuerst kam Julian und beanspruchte Desari als seine
Gefährtin. Dann fand Darius Tempest. Barack verband sich mit Syndil, und ich
blieb allein zurück. Ich fühlte mich isoliert, Corinne. Ich kann dir gar nicht
erklären, wie schwer es für mich war. Wie allein ich war.« Alle anderen so
glücklich vereint zu sehen, hatte ihm das Gefühl gegeben, einsam und verloren
zu sein. Ohne die anderen war es die Hölle gewesen. All die Jahrhunderte ihres
Daseins waren sie zusammen gewesen, und nun konnte er ihre Nähe kaum noch
aushalten. Die Paare miteinander zu sehen und zu hören, hatte seine Einsamkeit
unerträglich werden lassen.
Er war anders. Er war eine Gefahr für sie, für die
Frauen ebenso wie für die Männer. Ihm fiel auf, wie wachsam Syndil ihn immer
beobachtete. Sie war von einem ihrer eigenen
Leute angegriffen worden, von Savon, nachdem er sich
in einen Vampir verwandelt hatte. Darius hatte den Vampir vernichtet, aber es
hatte auf Messers Schneide gestanden.
Dayan wusste, dass sich die anderen seinetwegen
sorgten, und es hatte ihn beunruhigt, dass er überhaupt nichts empfand. Er
fühlte sich nur allein, für immer und ewig allein. Er hatte keine Angst vor
Darius und seiner Macht, obwohl er ihn hätte fürchten sollen. Er war Darius'
Stellvertreter. Darius empfand ihm gegenüber ungeheure Loyalität, und sie
hatten mehr als einmal ihr Blut getauscht, wenn einer von ihnen verwundet
gewesen war. Das ermöglichte ihnen eine ganz persönliche Art der Kommunikation,
aber es ermöglichte ihnen auch, den anderen jederzeit aufzuspüren, wie groß
die Entfernung auch sein mochte.
»Du bist nicht allein, Dayan. Das darfst du niemals
denken«, flüsterte Corinne, die tiefes Mitleid mit ihm hatte. Sie hörte die
Verlorenheit in seiner Stimme, und sie wünschte sich verzweifelt, ihn trösten
zu können.
Dayan zog Corinnes Finger wieder an seinen Mund und
küsste sie sanft, statt sie an sich zu pressen, wie er es am liebsten getan
hätte. Sie hatte sein Leben für alle Zeiten verändert. Jetzt konnte er
unbesorgt zu seiner Familie zurückkehren. Die Gefahr, sich in einen Vampir zu
verwandeln, der gejagt und vernichtet werden musste, war gebannt. Nie wieder
würde er in ihnen die Sorge um ihn erkennen, nie wieder ihr Mitleid und ihren
Kummer, ihre Ängste spüren müssen. Er konnte die Liebe, die er für sie alle
empfand, tatsächlich fühlen, statt sich nur an dieses Gefühl zu erinnern. Das
hatte Corinne bewirkt, einfach dadurch, dass es sie gab. All die langen
Jahrhunderte des Wartens hatten sich gelohnt, all die Einsamkeit und
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