Dunkles Spiel der Leidenschaft
seltsamen Bemerkungen, die sich auf sie bezogen. Sie begriff selbst nicht,
was sie so sehr zu Dayan hinzog, warum sie seine Nähe mehr brauchte, als sie je
die eines anderen Menschen gebraucht hatte. Sie fühlte sich bei ihm in Sicherheit
und gleichzeitig auf eine elementare und sehr erregende Art und Weise bedroht.
»Diese Gruppe operiert genauso wie eine terroristische
Vereinigung. Zuschlagen und sofort verschwinden. Heimliche Zusammenkünfte.
Nur die Leute an der Spitze wissen, wer dazugehört. Keiner traut dem anderen.
Einige in den unteren Rängen wissen nicht einmal wirklich, dass Töten an der
Tagesordnung steht. Ich weiß, wie bizarr das klingt, aber leider ist dieses
Syndikat sehr real. Wir müssen ständig auf der Hut sein. Wenn diese Leute dich
und Lisa im Visier haben, braucht ihr beide ebenfalls Schutz. Sie werden nicht
aufhören, Jagd auf euch zu machen. Wir müssen Lisa irgendwie davon überzeugen,
dass sie tatsächlich in Gefahr ist. Sie wehrt sich gegen die Wahrheit, weil
sie nicht will, dass sich in ihrem Leben irgendetwas ändert.«
»Lisa hat weit Schlimmeres erlebt als John oder ich.
Als wir noch ganz klein waren, fing ihr Vater an, mit meiner Mutter
auszugehen. Es ging hauptsächlich ums Trinken. Damals wussten wir es nicht,
aber ihr Vater war extrem gewalttätig, wenn er getrunken hatte. Um es kurz zu
machen, ihr Vater ermordete meine Mutter. Lisa kam dazu, als er sie gerade mit
einem Wagenheber bearbeitete. Er schlug Lisa nieder, zog eine Tüte über ihren
Kopf, packte sie zusammen mit der Leiche meiner Mutter in den Kofferraum eines
Wagens und über- goss sie mit Benzin. John wusste es - so wie er vieles wusste
-, und zu zweit schafften wir es, Lisa zu befreien, ohne dass ihr Vater etwas
davon merkte.« Corinne hatte damals mithilfe ihrer einzigartigen Gabe den
Kofferraum geöffnet. »Lisa, John und ich blieben zusammen. Wir lebten
hauptsächlich auf der Straße und schlugen uns irgendwie durch.« Sie sagte es
hastig, fast überstürzt, weil sie sich nicht länger als nötig mit den
schmerzlichen Erinnerungen an ihre Kindheit befassen wollte. Sie sprach nie
über diese Zeit und erzählte niemandem jemals etwas über ihre Jugend, doch
Dayan musste sie einfach sagen, was er wissen wollte.
Er verschlang seine Finger mit Corinnes Fingern. Ihm
war nur zu bewusst, wie viel Schmerz ihr diese Erinnerungen bereiteten. »Nach
der Ermordung meiner Mutter war Lisa seelisch so aus dem Gleichgewicht, dass
sie tagelang kein Wort sprach«, fuhr Corinne fort. »Ich saß stundenlang bei ihr
und wiegte sie hin und her, und sie hielt mich fest, als ich irgendwann
zusammenbrach und weinte. John war unser Fels in der Brandung; er stahl Essen
für uns und passte auf uns auf. Irgendwann bekamen wir alle einen Job in einem Café.
Dort wurde Lisa von einer großen Modelagentur entdeckt. Danach brauchten wir
uns keine Sorgen mehr um ein Dach über dem Kopf zu machen. Ich verdiente damals
schon ein bisschen Geld mit dem Schreiben von Songs und konnte auf dem College
Musik studieren. John wurde ein sehr erfolgreicher Landschaftsarchitekt. Wir
lebten wie eine Familie zusammen.«
Dayan rührte sehr behutsam an ihren Geist. Er wollte
ihr nicht zu nahe treten, wenn derart schmerzliche Erinnerungen in ihr wach
wurden, aber er musste die Details »sehen«. Ihr Leben war nicht einfach
gewesen, und er konnte ihre Liebe und Loyalität zu John und Lisa deutlich
erkennen. Sie hatten eine Familie gebildet und einander in einer grausamen
Welt Schutz geboten. Sie hatten sich in einer rauen Umwelt buchstäblich selbst
großgezogen und es geschafft, trotz aller widriger Umstände liebevolle und
sensible Menschen zu bleiben.
»Lisa hat keine übersinnlichen Fähigkeiten.« Er
äußerte es wie eine Feststellung und fuhr dabei mit einer Hand durch die
schwere Fülle ihrer Haare.
»Wir hatten schreckliche Angst vor Lisas Vater. Gott
weiß, was er tun würde, wenn er sah, wozu John oder ich fähig waren. Lisa hat
immer noch Angst und erwähnt unsere speziellen Fähigkeiten kaum.« Ohne zu
überlegen, kuschelte sich Corinne enger an seinen warmen Körper. »Warum sollten
es diese Leute auf Lisa abgesehen haben? Sie macht keine ungewöhnlichen Sachen,
und niemand könnte auf den Gedanken kommen, dass sie schlecht ist.«
»Egal, welche Gründe sie haben, wir müssen Lisa
beschützen. Ich habe dich lange gesucht, Corinne. Ich weiß, dass du deinen Tod
als unvermeidlich akzeptiert hast, weil eure Ärzte dich davon überzeugt haben,
dass es
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