Dunkles Spiel der Leidenschaft
nächsten Heiler zu bringen und gesund werden
zu lassen. »Du musst einsteigen, Liebes«, ermahnte er sie freundlich.
Corinne nickte. Sie hasste die Schwäche, die sie daran
hinderte, auch nur eine so bescheidene Freude wie das Betrachten der Sterne
zu genießen. Scheinwerfer tauchten sie in grelles Licht, als plötzlich ein
Wagen um die Ecke schoss und direkt auf sie zu raste. Corinne erstarrte. Ihr
Herz hämmerte, und das Baby trat um sich, als ein Adrenalinstoß durch die Adern
seiner Mutter jagte.
Dayan ließ die Koffer fallen und bewegte sich mit übernatürlicher
Geschwindigkeit. Er zog sie in die Sicherheit seiner Arme und setzte mit einem
gewaltigen Luftsprung über den Wagen. Unter ihm riss der Fahrer das Steuer
herum, sodass das Auto bedenklich ins Schlingern geriet. Die Mitfahrer schrien
aufgeregt durcheinander. Dayan konnte sie deutlich sehen. Zum ersten Mal
regte sich Zorn in ihm. Er wollte nicht, dass Corinne noch länger von diesen
Menschen bedroht wurde. Ein leises Knurren drang aus seiner Kehle, und er
beugte sich über ihr seidiges Haar, um ihr einen Befehl ins Ohr zu raunen.
Corinne klammerte sich an Dayans Arm, als sie durch
die Luft jagten. Er lief nicht mehr. Sie war sicher, dass seine Füße nicht den
Boden berührten. Niemand konnte so schnell rennen, niemand. Sie spürte die
Wärme seines Atems an ihrem Ohr, spürte, wie er Wellen von Beruhigung, von
Liebe und Fürsorge in ihr Bewusstsein sandte. »Sag mir nicht, dass ich das
vergessen soll«, fuhr sie ihn scharf an. Befiehl
mir nicht, das zu vergessen, Dayan. Noch nicht. Lass mich dich sehen.
Sie sah ihn zum ersten Mal. Vorher hatte sie flüchtige
Einblicke erhalten und den einen oder anderen Hinweis in seinem Inneren
gefunden, die Einzelteile aber nicht zusammensetzen können. Jetzt teilte er
sein Bewusstsein mit ihr, und sie sah alles Mögliche - Erinnerungen, Bilder,
Dayan in verschiedenen Epochen. Seine Erinnerungen ergaben für sie keinen
Sinn, doch sie wusste, dass sie echt waren und nicht aus Geschichtsbüchern
stammten. Dafür waren sie zu detailliert und zu lebendig. Und er hatte sie vor
dem Auto gerettet, indem er in die Luft gesprungen und buchstäblich mit ihr
geflogen war.
Dein Herz muss sich meinem
Herzschlag angleichen. Hör gut hin, Corinne, denn ich will dich nicht
verlieren. Atme mit mir zusammen und hab keine Angst.
»Ich habe keine Angst vor dir«, wisperte sie. Ich habe keine Angst vor dir. Sie wollte nicht,
dass er seine telepathischen Kräfte einsetzte, um ihr Gedächtnis zu löschen.
War das, was sie sah, der Grund für Dayans Einsamkeit in einer Welt, in der
sich jeder zu ihm hingezogen zu fühlen schien? Er war völlig anders. Er
verfügte über magische Kräfte.
Dayan brachte sie auf das sichere Hausdach und setzte
sie behutsam in den Schutz eines Giebelfensters. Er warf einen Blick auf den
Himmel, und sofort zogen rasch dunkle Wolken über ihnen auf. Im Gefolge dieser
Wetterfront kehrte der dichte Nebel zurück.
Corinne, die ihn aufmerksam beobachtete, stellte fest,
dass sein Gesichtsausdruck zwar unbewegt wie immer war, in seinen Augen aber
eine rote Flamme der Vergeltung glühte. »Du wirst sie konfrontieren, nicht
wahr?«
»Ich möchte, dass du dich auf dein Herz konzentrierst,
Corinne.« Es war ein Befehl, auch wenn seine Stimme weich wie Samt war. »Es
muss gleichmäßig schlagen. Hör auf den Rhythmus meines Herzschlags.« Dayan zog
ihre Hand an seine Brust, direkt auf sein Herz. »Fühlst du es? Du kannst deinen
Herzschlag bis zu einem gewissen Grad kontrollieren.«
»Wie konntest du dich so schnell bewegen?«, fragte sie
und sah ihn aus ihren großen Augen beinahe ehrfürchtig an. Corinne war ihr
Leben lang körperlich behindert gewesen, und Dayans Fähigkeiten erschienen ihr
wie ein Wunder.
»Darüber unterhalten wir uns später, Liebes. Ich muss
mich jetzt noch um ein paar Kleinigkeiten kümmern.«
Sie streckte eine Hand aus und legte sie auf seinen
Arm. »Sei vorsichtig, Dayan. Man kann auch zu sehr von sich selbst überzeugt
sein.«
Er beugte sich vor, um ihre Stirn mit einem Kuss zu
streifen. Im nächsten Moment war er nicht mehr da. Corinne hatte nur einmal
geblinzelt, und Dayan war verschwunden. Sie zog die Knie an, atmete langsam
tief ein und aus und konzentrierte sich auf ihr Herz, wie er es ihr befohlen
hatte. Für den Moment gönnte sie sich den Luxus, das Gefühl auszukosten, zu
ihm zu gehören und zu wissen, dass er sie begehrte. Nur sie. Was war er? Wer
war er?
Dayan spürte,
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