Dunkles Universum 1 - Aguirre, A: Dunkles Universum 1 - Sirantha Jax 1. Grimspace
ruhiger klingt, als ich es in Wirklichkeit bin.
Er hat die Wahl: Entweder hockt er sich neben mich auf die Schlafmatte, oder er setzt sich auf den einzigen Stuhl drüben bei dem Tisch. In Sachen Einrichtung haben sie sich nicht gerade verausgabt und alles entfernt, das auch nur im Entferntesten dazu geeignet scheint, mich selbst damit zu verletzen.
Als er die Beine seiner perfekt maßgeschneiderten Hose ein Stückchen hochzieht, um sich neben mir niederzulassen, bin ich überrascht. Ich habe ihn eher als Stuhl-Typ eingeschätzt, durch und durch, was mal wieder zeigt, dass man nie nach dem Äußeren gehen soll. Zumindest nicht immer, weil man sonst Gefahr läuft, sich ziemlich oft zu täuschen.
Er geht in den Lotussitz, sagt aber immer noch kein Wort, und gerade als die Sache anfängt, mir seltsam vorzukommen, neigt er den Kopf und blickt auf seine offene Handfläche. Ich beuge mich nach vorn und sehe Buchstaben:
Sagen Sie 60 Sekunden lang nichts.
Ich hebe den Kopf und will gerade fragen: »Wollen Sie mich verarschen?«, als ich den Blick seiner dunklen Augen auffange, durchdringend und unwiderstehlich. Dieser Blick bohrt sich in mein Innerstes, und eine ganze Minute lang bringe ich keinen einzigen Ton heraus, so sehr ich es auch versuche. Es ist, als würde er mich mit der Kraft seiner Gedanken zum Schweigen zwingen, etwas, das andere schon oft vergeblich versucht haben.
»Wenn alles glattgegangen ist«, sagt er schließlich, »haben meine Leute Ihre KI mittlerweile in Wartungszustand versetzt. Trotzdem ist unsere Zeit knapp.«
»Und wenn nicht alles glattgegangen ist?« Das ist es gar nicht, was ich fragen will. Ich will wissen, wer, zum Teufel, der Kerl ist. Trotzdem wandert mein Blick hinüber zum Terminal. Es blinkt blau, der Farbcode für die routinemäßige Wartung.
»Dann wäre schon jemand hier, um mich festzunehmen.« Er schenkt mir ein finsteres Lächeln. Ja, finster – das Wort passt perfekt zu ihm.
Hm, seltsam, aber irgendwie ist mir nicht ganz wohl bei der Sache.
2
Mit offen stehendem Mund starre ich ihn an. Als es mir endlich auffällt, suche ich nach etwas, das ich sagen kann, egal, was. »Wer, zum Teufel, sind Sie?«
»Marsch.«
»Ist das ein Name oder ein Befehl?« Die schnippische Frage kommt mir einfach so über die Lippen, obwohl ich noch überhaupt nichts über den Typen weiß. Das eigentlich Wichtige wäre, warum er hier ist, und ich bin mir nicht sicher, warum ich ihn noch nicht danach gefragt habe. Vielleicht weil ich weiß, dass dieses illegale Eindringen in meine Zelle nichts Gutes zu bedeuten hat und ich auf diese Art den unvermeidlichen Sprung vom Regen in die Traufe noch ein wenig hinauszögern will.
Außerdem wird er es mir ohnehin sagen. Typen wie er tun das immer. Er hat einen Plan, und es kümmert ihn einen Dreck, ob ich damit einverstanden bin oder nicht. Glaube kaum, dass er in seinem Leben oft ein Nein zu hören bekommen hat, geschweige denn eins akzeptieren musste.
»Entscheiden Sie sich«, sagt er mit einem Schulterzucken. »Wir müssen Sie hier rausholen. Sie haben drei Minuten, Miss Jax, und die Uhr tickt. Wie gut sind hier die Sicherheitsvorkehrungen?«
Wenn die KI aus ihrer Wartungs-Subroutine erwacht und (a) einen nicht zugelassenen Besucher vorfindet oder (b) das Verschwinden von Sirantha Jax feststellt, werden die Sirenen losheulen, als wäre die Raumstation ein Bunker im Belagerungszustand. Aber ich zucke nur mit den Schultern. Ich habe ehrlich gesagt nicht die geringste Ahnung. Ich war noch nie auf Perlas, und ich kam nicht aus freien Stücken her. Nachdem mich das Rettungsteam auf Matins IV gefunden hat, dummerweise lebendig, war Perlas die am nächsten gelegene Raumstation. So einfach. Ich habe mich schon mehrmals gefragt, warum sie die Angelegenheit nicht gleich erledigt haben, um das Unglück mit dem Vermerk »aus ungeklärter Ursache« zu den Akten zu legen, damit der Konzern die Tragödie unter den viel strapazierten Teppich kehren kann. Tote Männer erzählen keine Geschichten, und tote Frauen lösen unangenehme Probleme.
»Wieso glauben Sie, dass ich mit Ihnen komme?« Noch während ich ihn das frage, denke ich über meine Entscheidung nach und bin mir der verrinnenden Sekunden vollauf bewusst. Ich muss mich schnell entscheiden. Wenn ich nicht verschwinde, wird Newel, der Psychiater, der mich so freundlich gebeten hat, brennendes Menschenfleisch zu beschreiben – ja, genau der –, heute wiederkommen. Er leitet meine »Behandlung«, jetzt und
Weitere Kostenlose Bücher