Dunkles Universum 1 - Aguirre, A: Dunkles Universum 1 - Sirantha Jax 1. Grimspace
als wäre es meine Schuld, als wäre ich der Schmetterling, dessen Flügelschlag den Hurrikan ausgelöst hat, und das nicht zum ersten Mal. Ich versuche, den Gedanken wegzuschieben. Das Gefühl, dass mein Leben zu einem Fluch geworden ist, zu einem Faden, der auf Matins IV hätte durchtrennt werden sollen, und ich so lange weiteren Schaden anrichten werde, bis ich endlich Vernunft annehme und sterbe, ist nicht leicht loszuwerden. Doch selbst, wenn das alles zutreffen sollte: Ich bin einfach zu egoistisch, um das Problem aus der Welt zu schaffen.
Marsch fummelt an einem Navigationsgerät herum und bestimmt unsere Position zur Siedlung. Ich bin fast ein wenig überrascht, weil ich wegen meiner Gedanken nichts von ihm zu hören bekomme, aber andererseits kann er ja auch nicht ständig in meinem Kopf sein, oder? Anscheinend habe ich mich so sehr an diese Vorstellung gewöhnt, dass ich automatisch davon ausgehe, er wüsste alles über mich.
Und jetzt, da ich weiß, dass keins von beidem zutrifft, fühle ich mich … einsam.
»Wir sollten los. Je eher wir aufbrechen, desto eher sind wir dort und können versuchen herauszufinden, was hier vorgefallen ist.«
Mit einem Nicken folge ich ihm. Nicht, weil ich Marschs Autorität in irgendeiner Weise anerkenne, sondern für den Fall, dass wir uns doch getäuscht haben und irgendwas Hässliches noch durch diese Sümpfe stapft. Ehrlich gesagt ist es mir lieber, wenn es ihn zuerst frisst. Vielleicht bleibt mir dann noch genug Zeit zum Weglaufen.
»Nett von dir«, sagt Marsch und wirft mir einen Blick über die Schulter zu. »Echt nett.«
Natürlich, das hat er gehört.
Während wir so gehen, kommt mir zum ersten Mal in den Sinn, dass es vielleicht nicht nur an Marsch liegen könnte, dass er in mir, in meinen Gedanken ist. Vielleicht hat es was mit mir zu tun, vielleicht ist es irgendeine verborgene Fähigkeit, von der ich bisher gar nichts weiß. Ich denke an die Male zurück, als er in meinen Gedanken war. Oft waren es Gedanken, von denen ich wusste, dass sie ihn ärgern oder gar verletzen würden. Und jetzt habe ich ihn wieder vernommen, einfach so, dabei waren wir nicht einmal eingeklinkt. Ich habe keine Ahnung, was genau das zu bedeuten hat.
»Es bedeutet, dass unsere Theta-Wellen kompatibel sind«, antwortet er zu meiner Überraschung. »Es funktioniert fast ausschließlich nur in eine Richtung. Ich höre die Gedanken von anderen Leuten, welche und wie viele, hängt davon ab, wie weit sie ihren Geist unter Kontrolle haben und wie viel ich wissen will. Früher konnte ich es nicht kontrollieren, konnte es nicht abstellen.«
»Und wie hast du …«
»Mair. Die höheren Stufen wollte sie mir nicht beibringen, aber sie hat gesehen, in was für einem Zustand ich war, und mir beigebracht, Ruhe in meinen Kopf zu bringen. Den Hintergrundlärm auszublenden, durch Meditation.«
Nun, das erklärt eine ganze Menge. »Tut mir leid. Wusste ich nicht.«
Die nächsten Worte kommen ihm schwer über die Lippen: »Als mich Mair an die Hand genommen hat, war ich nicht mal mehr ein Mensch, Jax. Ich bin in Köpfe eingedrungen, nur um zu beweisen, dass ich es kann, zum Spaß, oder weil ich jemanden umbringen wollte, heimlich, still und leise. Jahrelang war ich auf Nicuan, Söldner in ihren endlosen Kriegen. Als ich schließlich ein Schiff gestohlen habe, weil sie mein Gehalt gekürzt hatten, war nichts mehr von mir übrig. Mair hat mich wieder aufgebaut, Stein für Stein.«
Ein kalter Schauer durchzuckt mich, kälter als der eisige Regen, der meinen Nacken hinunterläuft. Ich habe die Echos dieser dunklen Vergangenheit in seinen Augen gesehen, manchmal, eine seelenlose Leere, die er gerade so im Zaum hält. Bin ich hier draußen wirklich sicher mit ihm?
»Wen habe ich dir noch genommen?« Könnte ich sein Gesicht sehen, hätte ich wahrscheinlich nicht den Mut, ihn das zu fragen. Aber solange ich nur seinen breiten Rücken in der abgewetzten Pilotenjacke vor mir habe, kriege ich es gerade noch hin. »Ich weiß das mit Edaine. Und Mair. Ich wusste nicht, dass sie deine Mentorin war, das macht es nur noch schlimmer. Aber es gibt noch jemanden, oder nicht?«
Das ist ein Teil dessen, was er immer vor mir versteckt hat, wenn wir eingeklinkt waren. Ein Teil dessen, warum er mich hassen will . Ich kenne ihren Namen: Svet. Dina hat ihn vor ein paar Wochen erwähnt. Aber was hat sie ihm bedeutet?
Mit angehaltenem Atem gehe ich weiter, ducke mich unter herabhängenden Ranken und Farnwedeln
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