Dunkles Universum 1 - Aguirre, A: Dunkles Universum 1 - Sirantha Jax 1. Grimspace
endgültig vorbei. Er hat mich einmal getäuscht, und dafür sollte er sich schämen, aber ich falle nicht noch mal drauf rein. Stattdessen schätze ich die Entfernung ab und suche nach einer Taktik, mit der ich gegen seine pure Körperkraft bestehen kann. Allerdings sollte ich ehrlich zu mir sein: Es sieht nicht gut aus. Wahrscheinlich wäre ich besser beraten, wenn ich weglaufe, und mein Selbsterhaltungstrieb ist einfach zu stark ausgeprägt, um noch länger darüber nachzudenken. Überleben ist Überleben, und er hat gerade gesagt, dass er mich tot sehen will. Also täusche ich links an und tauche nach rechts ab. Doch noch bevor ich an ihm vorbei bin, packt er mich um die Hüfte und hält mich fest, mühelos, wie ein widerspenstiges Kind, das sich weigert, sein Zimmer aufzuräumen.
»Jax.« Sein Tonfall ist ganz sanft, beruhigend. »Du drehst wieder durch. Vielleicht kein Nervenzusammenbruch, aber was du denkst, ist vollkommen irrational. Wenn ich vorhätte, dir was zu tun, warum sollte ich es dann vorher ankündigen?«
Ich reagiere nicht, schlage nur mit Fäusten um mich und strampele mit den Füßen, während mein Herz rast, als würde es jeden Moment explodieren. Ich sitze in der Falle. Ich prügle auf ihn ein, doch meine Fäuste prallen ab wie von einer Betonwand, als wäre er ein Bergmassiv und kein Mensch. Und seine einzige Reaktion ist, mich festzuhalten, damit ich nicht hinfalle, als ich endlich zusammenbreche.
Denn er hat recht: Ich bin vollkommen durchgeknallt. Ich hasse es, wenn ich mich so fühle. Zum ersten Mal, seit ich aus Perlas raus bin, kommen die Tränen, und ich kann sie nicht aufhalten. Schluchzend stehe ich da, während sich der immer stärker werdende Regen über uns ergießt. Ich höre Donner, weit weg, als hätte ich mich unter eine Decke verkrochen. Der einzige Grund, warum ich ihm in die Augen sehen kann, ist, dass er nicht versucht, mich zu trösten. Er flüstert mir keine tröstenden Worte zu und streichelt mir auch nicht den Rücken, hält mich nur aufrecht, raus aus dem Dreck, und sobald er den Eindruck hat, ich kann wieder allein stehen, lässt er mich los.
»Tut mir leid«, sage ich leise. »Ich weiß nicht, ob es an dem Unfall liegt oder dem, was der Konzern danach mit mir angestellt hat, aber …«
»Halt die Klappe, wir müssen weiter.«
Aus irgendeinem Grund muss ich lächeln über diese Erwiderung, aber Marsch wartet meine Reaktion nicht einmal ab. Allein stehe ich da und starre auf seinen Rücken, während er auf einem etwas weniger dicht bewachsenen Streifen Boden zwischen all den unfassbar dicken Baumstämmen weitermarschiert. Seltsamerweise fühle ich mich erleichtert. Ich habe keine Ahnung, was die Unit-Psychiater mit mir angestellt haben, aber mein Gehirn scheint ein einziges Minenfeld aus Triggern zu sein, und falls ich jede einzelne dieser Explosionen überstehen sollte, ist das, was danach aus den Trümmern geklettert kommt, vielleicht mein echtes, wahres Ich.
In diesem Moment wirbelt Marsch herum und durchbohrt mich mit seinem Blick. Seine Augen glühen, wie ich es noch nie gesehen habe, bei niemandem. Das ist kein Verlangen, sondern etwas Tieferes, Dunkleres. Instinktiv mache ich einen Schritt zurück.
»Nicht ›falls‹«, knurrt er mich an. »Ich hab’s satt, immer wieder mitzubekommen, wie du übers Sterben nachdenkst. Ja, bevor wir uns getroffen haben, wollte ich dich tot sehen. Aber nicht, weil ich dir die Schuld für Matins IV gab. Sondern weil du überlebt hast. Aber – krieg das endlich in deinen Kopf, Jax – ich werde niemals zulassen, dass dir etwas zustößt, nicht jetzt. Du gehörst zu meiner Truppe, ob mir das gefällt oder nicht.«
Meine Beine wollen mich nicht länger tragen. Vielleicht ist es auch der beständige Strom von Wasser, der überall zwischen den knorrigen Wurzeln hindurchschießt, der mir die Füße wegzieht. Kniend hocke ich im Schlamm, das Gesicht nach oben gerichtet, nicht auf Marsch, sondern in den Regen, und ich bete beinahe, dass er mich reinwaschen möge. Unsere Overalls sind zwar angeblich wasserdicht, aber nichts kann auf Dauer den Wassermassen auf Marakeq während der Regenzeit standhalten. Wir sind beide nass bis auf die Knochen, und ich habe das Gefühl, mir wird nie wieder warm werden.
»Marsch, bitte«, sage ich flüsternd unter dem Lärm des Regens. Ich weiß nicht einmal, ob er mich hören kann. »Du musst es mir sagen.« Ich schaue zu ihm auf, berühre ihn nur mit meinem Blick und sehe, wie er das
Weitere Kostenlose Bücher