Duo Infernale
Fuß und musste wieder steigen.
Als ich aus einer recht schmalen Gasse trat und am Hotel de Ville schon vorbeigegangen war, ragte plötzlich die Kathedrale vor mir auf. Sie interessierte mich überhaupt nicht, denn ich sah einzig und allein Jane Collins, die vor dem Bauwerk stand und mir den Rücken zuwandte. Den Kopf hatte sie angehoben und schaute an der grauen Fassade hoch. Sie wirkte wie jemand, der noch nicht genau weiß, ob er die Kirche nun betreten soll oder nicht.
Ich nutzte eine Hausecke als Deckung aus und spähte hinter der Ecke quasi mit einem Auge hervor. Jane sollte mich auf keinen Fall sehen, ich wollte sie nur im Auge behalten und ihr auch in die Kathedrale folgen, falls das geplant war.
Wobei ich mir das wenig vorstellen konnte. Die Feinde, mit denen wir es zu tun hatten, standen der Hölle positiv gegenüber. Dabei spielte eine Kirche höchstens als Hassobjekt eine Rolle. Menschen, die dem Teufel dienten, hätten Kirchen am liebsten dem Erdboden gleichgemacht und sie nicht für ihre Zwecke benutzt.
Hier war es wohl anders. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass die Kathedrale zerstört werden sollte, so etwas kam nur in alten Legenden und Sagen vor, wenn der Teufel erschien, um die Kirche zu zertrümmern, was er allerdings nie schaffte.
Für meinen Geschmack bewegte sich Jane Collins wieder normal. Sie stand nicht mehr unter dem Druck der anderen Seite, denn sie schaute sich so um, wie ein Tourist es tat, wenn er den Platz hier vor der Kathedrale erreicht hatte.
Allerdings fotografierte sie nicht, wie es die meisten Menschen taten. Dafür gab sie sich einen Ruck und ging mit zielsicheren Schritten auf das Eingangsportal zu. Sie drehte sich kein einziges Mal mehr um, zog die schwere Tür auf und war bald danach aus meinem Sichtfeld verschwunden.
Was tun?
Natürlich wollte ich ihr folgen, aber noch nicht sofort. Ich wollte erst etwas Zeit verstreichen lassen, damit Jane die Verfolgung nicht bemerkte.
Genau zwei Minuten später setzte ich mich in Bewegung. Es tat gut, in die Kirche zu gehen, denn dort umschlang mich die Kühle wie ein gewaltiges Tuch.
Ich blieb stehen und atmete tief durch. Meine Augen mussten sich erst an das graue Dämmerlicht gewöhnen. Allein hielt ich mich nicht in dem mächtigen Kirchenschiff auf. Ich hörte die Schritte anderer Besucher, und das Staunen der Menschen über den gewaltigen Innenraum war beinahe schon zu hören.
Jane war auch in die Kathedrale gegangen, nur sah ich leider keine Spur von ihr. Ich bezweifelte, dass sie sich hinter einer der Säulen versteckt hielt, und so machte ich mich auf die Suche nach ihr. Da sich die Augen mittlerweile an das schwache Licht gewöhnt hatten, hätte ich sie eigentlich sehen müssen, aber sie tat mir den Gefallen nicht, sich zu zeigen.
Wo konnte sie hingegangen sein?
Ich war ratlos. Als ich wieder mal den Kopf drehte und dabei in eine andere Richtung schaute, fiel mir ein Mann auf, der in der Ecke saß. Vor ihm stand ein Tisch, von dem sich der viereckige Kasten einer Kasse abhob.
Einer Intuition folgend, ging ich zu ihm. Der Mann blinzelte mir hinter seiner Brille zu. Er schien meine Unsicherheit zu spüren und fragte: »Wollen Sie hoch zum Turm?«
»Oh. Gibt es einen Weg?«
»Ja. Aber es führen sehr viele Stufen hinauf.«
»Wo führt er denn genau hin?«
»Nach ganz oben, Monsieur. In den mächtigen Glockenturm. Sie sollten schon schwindelfrei sein. Allerdings haben Sie von dort oben den besten Blick über Genf und über den See, den man sich nur vorstellen kann. Einfach unbeschreiblich.«
»Sie machen mir wirklich den Mund wässerig«, sagte ich. »Allerdings weiß ich nicht, ob meine Freundin die Kirche hier schon betreten hat. Sie wollte sie sich anschauen. Da wäre es nur sinnvoll, wenn wir gemeinsam hochgehen. Wir haben uns eigentlich hier treffen wollen.«
Der Mann tat genau das, was ich von ihm wollte. Er stellte eine bestimmte Frage. »Wie sieht Ihre Freundin denn aus?«
Ich beschrieb Jane mit wenigen Worten und brauchte nicht erst zu Ende zu reden. »Da haben Sie Pech oder Glück gehabt, Monsieur.«
»Wieso?«
»Diese Frau war hier, und sie ist bereits hoch zum Turm gegangen. Bestimmt ist sie schon oben, auch wenn sie etwas blass aussah und ich ihr geraten habe, vorsichtig zu sein.«
»Jane ist zäh.«
»Dann wird es Zeit für Sie. Die Karte kostet vier Franken.«
Ich legte fünf auf den Tisch, ließ mir kein Wechselgeld zurückgeben und konnte mich auf den Weg machen.
Wie viele Stufen es
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