Durch den Sommerregen
wollen.“
„Sei doch mal ehrlich. Sollten kaputte Persönlichkeiten wie wir wirklich Kinder bekommen?“
Ich kann nicht fassen, dass er mir das tatsächlich ins Gesicht sagt.
„Fick dich, Gabriel.“
Was er danach noch sagt, nehme ich nicht mehr wahr. Nur, dass ich mit meinen Schuhen in der Hand und auf nackten Füßen zu meinem Auto stolpere. Aber da er mir nicht folgt, kann es nicht sehr wichtig gewesen sein.
24.
Länger kann ich es nicht herauszögern, ohne ein Überfallkommando meiner Eltern zu provozieren, also mache ich mich nach der Arbeit direkt auf den Weg zu ihnen. Nach dem ganzen Drama mit Gabriel bin ich hierfür überhaupt nicht in der Stimmung.
Mein Vater arbeitet im Vorgarten, als ich mein Auto in der Einfahrt hinter seinem parke.
„Hey Fremde“, begrüßt er mich und lässt die Heckenschere neben den Rosenbusch fallen. Nach einer kurzen Umarmung folgt er mir ins Haus.
„Deine Mutter hat dich schon vermisst.“
„Dein Vater war kurz davor, dich bei der Arbeit zu besuchen. Er ist schlimmer als ich.“ Meine Mutter nimmt die Hände aus dem Spülbecken und trocknet sie ab, bevor sie mich in eine Umarmung schließt.
„Hey mein Kind. Wie geht’s dir?“
So sehr ich mich auch bemühe, die Fassung zu wahren, diese eine Frage reicht, um mich zum Weinen zu bringen. Wütend wische ich mir die Tränen aus dem Augenwinkel.
„Ich bin okay“, probiere ich mich an einem halbherzigen Erklärungsversuch. Gabriels Abwesenheit fühlt sich an, als hätte jemand ein Loch in meinen Brustkorb gerissen. Normalerweise neige ich nicht zu solcher Dramatik, dennoch ändert es nichts daran, dass es sich genauso anfühlt.
„Bist du nicht. Wir schicken deinen Vater jetzt ein paar Steaks besorgen, die er uns später grillen darf, und dann erzählst du mir, was los ist.“
Das macht meine Heulattacke nur schlimmer und führt dazu, dass mein Vater rückwärts aus der Küche stolpert, erleichtert darüber, anderweitig gebraucht zu werden.
Und so erzähle ich meiner Mutter von den letzten Wochen mit Gabriel. Zum ersten Mal seit Jahren reden wir miteinander ohne diese unsichtbare Distanz, die sich im Laufe der Zeit aufgebaut hat. Auch wenn es mir nicht bewusst war, ich habe meine Mama vermisst.
Bei einer Tasse Tee spreche ich über den Mann in meinem Leben, der mich so bewegt. Erst durch meine eigenen Worte wird mir richtig bewusst, wie besonders er für mich ist. Meine Mutter hört geduldig zu und stellt nur wenige Fragen. Natürlich erzähle ich ihr nicht alles über Gabriel. Es gibt Dinge, die stehen mir einfach nicht zu, ohne sein Einverständnis weiterzugeben. Und ich weiß auch nicht, ob es jetzt noch eine Rolle spielt. Er meldet sich nicht, aber ich bin auch zu stolz, um einen Anfang zu machen.
Nachdenklich füllt meine Mutter meine Tasse nach und setzt sich mir wieder gegenüber. Mein Vater müsste inzwischen längst zurück sein. Wahrscheinlich ist er direkt durch die Garage gegangen und hat sich in den Garten verzogen.
Lange sieht sie mich an und legt dann eine Hand auf meinen Arm.
„Du magst es vielleicht nicht glauben, aber ich bin nicht bloß die überbehütende Glucke. Auch wenn ich immer meinen Mund gehalten habe, weiß ich, dass du zum Schluss einfach nur noch todunglücklich in deiner Ehe warst.“
„Warum hast du nie etwas gesagt?“, frage ich, als wäre es ihre Verantwortung gewesen, mich aus dieser Situation zu befreien.
„Lena, meine Lena. Du warst immer ein stures Kind, so dickköpfig. Wenn du dir etwas in den Kopf gesetzt hast, dann bringt dich auch niemand mehr davon ab. Versteh mich nicht falsch, Sebastian war kein schlechter Mann. Er war nur nicht der Richtige für dich. Am Anfang haben wir ja noch versucht, Einfluss zu nehmen, aber du hast schnell deutlich gemacht, dass wir dich komplett verlieren, wenn wir versuchen, dich von dieser Ehe abzubringen.“
Das klingt nach mir. Leider.
Zerknirscht sehe ich zu ihr auf, doch sie gibt mir gar nicht erst die Chance zu einem Erklärungsversuch.
„Du warst jung, Lena. Und beeindruckt von der Reife dieses Mannes. Wir hätten nichts tun können. Letztendlich wäre Sebastian der einzige gewesen, der dem Ganzen ein Ende hätte setzen können.“
„Das sehe ich heute auch. Aber damals war ich beinahe machtlos.“
Es gibt nur einen Mann, der mir dieses Gefühl niemals vermittelt hat. Mit Gabriel war ich nicht machtlos. Neben ihm war ich immer respektiert und gleichberechtigt. Nie hat er auf mich herabgesehen und mich
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