Durch den Wind
raufte er sich die Haare.
Sie schaute ihn an.
»Ich wusste es die ganze Zeit.«
»Wieso ...?«
»Nur Vera ahnt nichts. Vera ist ..., du kennst Vera, sie ist so ...«
»Vera? Großmutter war doch ihre Freundin.«
»Nein. Sie ist ein Stern im Weltall, glühend und allein.« Er blickte auf den Boden.
»Ich ...«, setzte sie an. Das hatte sie schon einmal gehört.
»Nein.«
»Aber ...«
»Nein, du nicht.«
»Aber ...«
»Nein, es liegt auf der Hand, aber es stimmt nicht, du glühst, aber du bist schon längst gefallen ...«, er nahm ihre Hände in seine, »und das ist deine Chance.«
Sie zog ihre Ringe an und aus. Saturn, dachte sie. Wenn, dann war sie Saturn.
Er strich ihr über die Haare.
»Vielleicht will ich einfach nur abstumpfen. Ein bisschen abstumpfen.«
»Du weißt, wie lange es dauert, bis ein Stern verglüht.«
Ihre Tränensäcke sahen nun müde aus, müde und rot.
»Das wirst du nicht mehr erleben, aber alles andere schon.«
»Ich kann wirklich nicht mehr«, sagte sie leise, »das ist nicht gespielt. Ich kann wirklich nicht mehr.«
»Und Felix?« fragte er plötzlich.
Er schaute sie an.
Sie richtete sich etwas auf.
»Er braucht dich.«
»Er braucht eine Mutter«, sagte Siri.
»Du bist seine Mutter«, sagte er eindringlich.
»Ich fülle es nicht aus. Ich gebe mir solche Mühe, so zu tun, aber ich bin es nicht.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich ...«
»Alle Eltern zweifeln. Das haben wir auch immer, ich jedenfalls ...«
»Er ist nicht glücklich.«
»Charlottes Weltformel ...«
Sie schüttelte den Kopf, nahm seine Hand: »Und Albert?«
»Ich weiß es nicht. Ihre Sehnsucht, ihre Abgründe, das Leben, das sie nie hätte leben können.«
Ihre Abgründe.
»Und ich die deutsche Eiche«, sagte er, »eine ziemlich alte inzwischen, aber ich wollte nie ein Tropenholz sein wie Albert. Vielleicht hat sie das auch so von mir weggetrieben, dass ich nichts anderes sein wollte. Ich konnte ihre Sehnsucht nicht spiegeln.«
»Eduard kann das auch nicht.«
»Und du kannst nicht fliehen.«
»In der Falle«, sagte sie und musste nun ein wenig lachen. »Mittendrin in der Falle.«
»Vielleicht ist es gar keine Falle, sondern ein Gerüst, das dir Halt gibt.«
»Du bist zwar ein guter Prediger, aber du bist ein Prediger, und ich glaube nicht«, sagte sie.
»Du hörst zu«, sagte er.
»Das ist was anderes«, antwortete sie.
»Das glaube ich nicht.«
Sie schwiegen eine Weile.
»Trinkst du eigentlich?« fragte sie dann.
»Im richtigen Moment ...«
»Gut, dann ...«, sagte sie, stand auf und ging mit ihm in die Küche: »Champagner, für alles andere ist es definitiv zu früh.«
»Champagner«, sagte er und setzte sich auf den Küchenstuhl.
Als sie die ersten paar Schlucke getrunken hatte, sagte sie: »Weißt du was: mit einem Großvater wie dir kann einem eigentlich nichts passieren.«
»Außer einer Predigt vor dem Frühstück.«
»Hab sie schon vergessen. Mach dir keine Sorgen.«
Alison und Yoko standen in der Schlange am Flughafen. Beide schauten mit schwirrendem Blick durch die Gegend. Gerade hatte Yoko Alison eröffnet, dass sie sie nach Japan begleitete.
»Hast du die auch aus dem Laden in der Rosenthalerstraße?« fragte Yoko auf einmal.
Und da fiel Alison auf, dass sie die gleichen Schuhe trugen, exakt das gleiche Modell, schwarze Stiefel mit einer blauen Naht, die senkrecht über den Spann nach oben führte.
Alison nickte: »Komisch, oder? Hast du noch andere dabei?«
»Natürlich«, sagte Yoko, »man weiß doch nie. Ich würde nie nur mit einem paar Schuhe verreisen.«
»Das hätte ich mir denken können«, sagte Alison.
»Sag bloß, das ist das Einzige, was du meinen Landsleuten bieten willst?« fragte Yoko mit Blick auf die Stiefel.
»Ich habe nicht vor, ihnen was zu bieten«, sagte Alison und griff sich mit der Hand an den seidigen Träger ihres BHs.
»Fehler!« sagte Yoko, »es kann sehr interessant mit ihnen werden, solange sie nicht betrunken sind. Wenn sie betrunken sind, werden sie banal. Aber nüchtern sind einige von ihnen nicht zu verachten.«
»Ich will sie auch nicht verachten, ich will ... ach, egal, ich bin einfach nervös, verzeih mein ...«
»Spießertum. Gut, tue ich. Kann jedem mal passieren, und in deiner Situation sowieso. Bin ganz erstaunt, dass man schon wieder Witze mit dir machen kann. Erstaunt und froh«, sagteYoko und nahm Alison in den Arm: »So schwierig unser Auftrag auch sein mag, wir verreisen
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