Durch die Hintertür
entspannte West sich. Ein Lächeln durchbrach die ewige Trübsal auf seinem Gesicht, und zum ersten Mal erkannte ich, dass er eigentlich ein gut aussehender Mann war.
»Was für ein herrlicher Tag!«, sagte er, drehte sich um die eigene Achse und betrachtete den Himmel, die Hecken und das Meer in der Ferne. »Manchmal sehe ich tagelang nichts von der Außenwelt. Ich sollte auch heute nicht hier draußen sein. Sir James hält mich mit einer Unmenge an völlig sinnloser Korrespondenz mit seinen Wahlkreisen beschäftigt. Komisch, dass das auf einmal so dringlich ist.«
Mr. West war ganz eindeutig zu Indiskretionen aufgelegt. Ich musste ihn einfach nur reden lassen.
»Schweinezucht, Weiderechte, Zugang für Automobile – alles Themen, die ihm so ungeheuer wichtig sind.« Er las einen Ast auf und schlug damit heftig auf den Wiesenkerbel ein, der die Straße säumte. »Ich habe die Nase voll. Ich brauche ein Bier.«
Bei der von West vorgegebenen Geschwindigkeit hatten wir das Dorf in weniger als zehn Minuten erreicht, und in dieser Zeit hatte er seinem Ärger Luft gemacht. Ich bestellte Bier und Sandwiches, mit denen wir uns in den Garten des Pubs setzten, wo wir von Geranien, Fuchsien und Ringelblumen umgeben waren. Wir suchten uns ein Plätzchen unter einem Baum aus und ließen uns zu unserem Picknick nieder. West nahm einen großen Schluck Bier, wischte sich den Schaum von den Lippen und entspannte sich endlich.
»Danke für die Einladung«, sagte er. »Leider kann ich mich nicht revanchieren, bei meinem Gehalt. Ich muss sehen, wo ich bleibe. Das ist alles andere als eine schöne Situation, aber es ist sinnlos, um den heißen Brei herumzureden. Ich bin Ihnen sehr dankbar. Sie sind der erste Mensch, mit dem ich mich unterhalten kann, seit … ach, egal. Prost, Mr. Mitchell.«
»Mitch.«
Wieder grinste er. Mr. West, der Privatsekretär, war verschwunden – seinen Platz hatte ein freundlicher, gebildeter junger Mann mit breiten Schultern und schmaler Hüfte eingenommen.
»Und wenn es denn unbedingt sein muss, dürfen Sie mich auch Vince nennen.«
Wir stießen mit unseren Bierkrügen an und nahmen noch einen Schluck. Dann verdüsterte sich sein Gesichtsausdruck wieder.
»Ich hoffe, Sie halten mich nicht für illoyal …«
»Wem gegenüber? Sir James?«
»Genau. Aber ich muss mich mal bei jemandem aussprechen.«
»Ich bin ganz Ohr.«
»Ich dachte mir schon bei Ihrer Ankunft, dass Sie vielleicht … verständnisvoll wären.«
Dies war eine der typisch englischen Umschreibungen, die ich schon lange aufzuschlüsseln gelernt hatte. »Oh, glauben Sie mir, Vince«, sagte ich und legte ihm die Hand diskret auf seine, »ich bin äußerst verständnisvoll.« Er strahlte über die Berührung und das Verständnis und zog seine Hand nicht zurück.
»Was wollen Sie mir sagen?«
»Es geht um diese Sache.«
»Natürlich.«
»Irgendwas ist da faul.«
»Das können Sie laut sagen.«
»Oh!«, entfuhr es ihm mit einem Seufzer der Erleichterung. Seine Augen leuchteten. »Es liegt also nicht nur an mir! Ich hatte schon befürchtet, dass die Einsamkeit mich in einen dieser Wahnsinnigen verwandelt hätte, die überall Verschwörungen wittern.«
»Wie sieht Ihr Verdacht aus?«
»Es geht um Rex.«
»Rex? Was hat er damit zu tun?«
»Ach. Nun, das ist eine lange Geschichte. Sie reicht zurück bis nach Cambridge.«
»Hier scheinen alle Straßen nach Cambridge zu führen.«
»Sie sind natürlich auch auf Cambridge, nicht wahr, Mitch? Ebenso wie Ihr Freund Mr. Morgan. Wir auf Drekeham Hall haben Mr. Morgan sehr gern. Es heißt, Miss Belinda habe einen guten Fang gemacht.« Er ahmte den affektierten Tonfall von Lady Caroline nach.
»Wann haben Sie Ihren Abschluss gemacht, Vince?«
»Hmmm …« Er nahm noch einen Schluck Bier. »Mein wunder Punkt. Ich habe keinen Abschluss. Ich wurde … na, Sie wissen schon.«
»Verwiesen?«
»Ja. Es gab einen Skandal. Ich teilte meine Unterkunft mit Rex Eagle, als er ans College kam; ich war in meinem zweiten Jahr. Unsere Familien sind entfernt miteinander verwandt, also kam uns das ganz natürlich vor – Sie wissen selbst, was für eine Vetternwirtschaft dort herrscht. Ich war Teil einer, sagen wir, recht extravaganten Clique. Möchtegern-Dichter, Möchtegern-Musiker, Möchtegern-Kommunisten – Sie wissen schon.«
»In der Tat.« Ich hatte eine Menge solcher Typen gefickt, doch das behielt ich zum jetzigen Zeitpunkt lieber für mich.
»Nun, Sie wissen, wie junge Männer sein
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