Durch die Hintertür
auch wenn er Burroughs wesentlich nachsichtiger beurteilt, wie du dir denken kannst. Aber was Meeks betrifft, war er froh, dass der aus dem Haus ist. Er hat’s wohl auf seine Stellung abgesehen, was verständlich wäre, aber da steckt noch mehr dahinter. Etwas, das er nicht offen sagen will. Sachen wie ›Ansichten, die nicht zu seiner Stellung passen‹ oder ›Verräter an seiner Klasse‹, und so weiter. Anscheinend ist Mr. Hibbert ein kleiner Bolschewist.«
»Vielleicht. Aber ich werde aus Charlie Meeks einfach nicht schlau. Warum er? Wieso glaubt jeder, dass er ein Mörder sei? Wieso will alle Welt ihn so schnell wie möglich loswerden?«
»Und wieso liebt Burroughs ihn so sehr – von den offensichtlichen Gründen mal abgesehen?«
»Gute Frage. Erzähl weiter.«
»Das war es schon. Ach, und ich habe noch diesen armen Hausburschen gesehen, Simon. Ein süßer Junge. Grinste von einem Ohr zum andern, als er mich kommen sah, konnte mir aber nicht viel sagen. Ist taub wie ein Pfosten und kann nicht richtig reden. Er zeigte mir ein paar hässliche Verbrennungen an seinen Handgelenken; der Koch meinte, das arme Schwein würde sich dauernd verletzen, wenn er Feuer macht und so weiter. Ich hätte ihm gern bei seiner Arbeit geholfen, aber es war schon fast elf, und es soll ja noch Leute geben, die ihre Verabredungen einhalten.«
»Erzähl mir mehr über die Verbrennungen. Wie sehen sie aus?«
»Sie verlaufen rund um seine Handgelenke und sehen etwas entzündet aus. Er muss wohl heißes Metall oder so berührt haben.«
»Mit beiden Handgelenken?«
»Ja. Klingt nicht sehr wahrscheinlich, oder?«
»Ganz und gar nicht. Ich vermute, Simon weiß mehr, als er sagen kann.«
»Dann rede ich besser noch mal mit ihm.«
»Klingt, als wolltest du unseren kleinen Hausburschen unbedingt mal näher kennenlernen.«
»Eifersüchtig, Mitch?«
»Auf ihn? Nein.«
»Auf wen dann?«
»Was glaubst du wohl?«
»Komm, doch nicht etwa auf Belinda, oder?«
»Ein wenig.«
»Dann bist du verrückt.«
»Bin ich das?«
»Hör mal, Mitch, Belinda ist ein hinreißendes Mädchen. Und ja, ich bin in sie verliebt und werde sie heiraten. Das ist echt, nicht so wie bei Rex und dieser furchtbaren Schneekönigin, die er aus den falschen Gründen heiratet, nur um Mami und Papi zu gefallen. Nein, ich liebe Billie und werde mit ihr eine Familie gründen. Aber trotzdem können wir beide immer noch gute Freunde sein, oder? Und wir können unseren Spaß haben. Ich meine, wir haben allein in den letzten 24 Stunden mehr getan, als ich mit Billie in anderthalb Jahren.«
»In Ordnung.«
»Also hör auf, dir Gedanken zu machen, und richte deinen außerordentlichen Verstand lieber auf den vorliegenden Fall.«
Ich wollte diese neue Übereinkunft gerade damit besiegeln, dass ich ihm einen blies, als die sommerliche Stille durch donnernde Hufe und ein Wiehern in der Nähe durchbrochen wurde. Dieser Wald war allem Anschein nach nicht so geheim, wie Leonard mir hatte weismachen wollen.
Morgan und ich duckten uns, die Köpfe kaum über den mit Gras bewachsenen Rand des Teiches gehoben. Die Hufe kamen näher, und durch das dunkle Laub und die Zweige konnten wir eine braune Flanke, eine Mähne und einen Schwanz erkennen. Und dann trabte sie durch die Lichtung, die den Teich umgab: eine stattliche Fuchsstute mit zwei nackten Männern auf dem Rücken.
Sobald wir uns vom Schock dieser traumartigen Erscheinung erholt hatten, trotteten Morgan und ich in die Richtung, in der das Pferd verschwunden war. Der Erdboden war mit Laub und Zweigen bedeckt, wir mussten uns vorsichtig bewegen, um keinen Lärm zu machen. Sobald wir den Schutz der Rhododendronsträucher erreicht hatten, unter denen nichts wuchs, konnten wir uns schneller fortbewegen – dafür aber unbequemer, da wir uns tief bücken mussten, um den Zweigen auszuweichen. Wir waren beide flink zu Fuß, und es machte mir große Freude, wenige Meter vor mir Morgans Hinterbacken wackeln zu sehen.
Plötzlich blieb er stehen und bedeutete mir, keinen Laut von mir zu geben. Ich konnte deutlich hören, wie das Pferd graste und dabei ganze Büschel ausriss. Dabei stampfte es ab und zu mit den Hufen oder schnaubte. Und ich konnte Gelächter hören.
Morgan kroch auf den Rand der Sträucher zu, auf der Seite, die dem Haus am fernsten war und die in ein unbestelltes Feld mündete, das nach weiteren fünfzig Metern in die Klippen auslief. Wir kauerten uns Schulter an Schulter hin, blinzelten in das grelle Sonnenlicht.
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