Durch Himmel und Hoelle
sich leicht umdrehen ließ. Mrs. Blackmore öffnete die Tür, und eine steile Treppe, die in die Dunkelheit führte, kam zum Vorschein.
»Er ist doch sicher nicht da unten!« stieß Elysia atemlos hervor, als sie auf die gähnende Öffnung zueilte. »Warum hat man ihn die Treppen hinunter geschleppt?« Sie starrte Mrs. Blackmore verwirrt an. »Ich verstehe das alles nicht. Wenn er verletzt ist, warum...« Elysia verstummte, als sie in die Dunkelheit hinunter sah.
»Meine Liebe, wollt Ihr wirklich da hinuntergehen?« fragte Mrs. Blackmore und spähte zögernd hinunter. Ihre zarte Gestalt zitterte, und sie schüttelte bedauernd ihren braunen Lockenkopf. »Es ist kein schöner Anblick«, warnte sie Elysia und streichelte beruhigend ihre Hand.
»Ich muß zu ihm - versteht Ihr das nicht?« rief Elysia mit tränen- erstickter Stimme aus und schob die kleine Frau, die sehr nervös zu sein schien und sich nicht entscheiden konnte, beiseite.
Elysia stand auf der Türschwelle und sah angestrengt in die tin- tenschwarze Finsternis. »Gibt es denn kein Licht, Mrs. Black -« wollte sie sagen, als sie einen heftigen Schlag auf dem Hinterkopf spürte und mit einem Schrei stürzte.
Verzögerung birgt Gefahren.
Shakespeare
14. K APITEL
Louisa ging verträumt den Kiesweg entlang, blieb kurz bei einer Wiesenblume stehen und strich über ihre Blätter. Sie warf einen ängstlichen Blick auf die unheilschwangeren Wolken, blieb dann wieder stehen und ließ den Blick übers Moor schweifen. Ihr Tag- traum ließ sie die drohenden Wolken vergessen.
David Friday ging ihr aus dem Weg - er versuchte gar nicht mehr, sie zu sehen. Vorher war er ständig dagewesen. Jedesmal wenn sie sich umgedreht hatte, war er plötzlich aufgetaucht, und seine be- wundernden Blicke waren ihr nicht entgangen. Aber jetzt war er nicht mehr zu sehen - höchstens aus der Ferne konnte sie hin und wieder einen kurzen Blick auf seinen entschwindenden Rücken er- haschen. Wenn sie dann den Platz erreichte, an dem sie ihn gesehen hatte, war er verschwunden.
Sie konnte es nicht begreifen. David hatte sich von dem stillen, aufmerksamen jungen Matrosen, in den sie sich verliebt hatte, zu ei- nem grübelnden, abweisenden Fremden verwandelt, der so tat, als würde sie ihn langweilen. Was war nur passiert, daß er sich so verän- dert hatte? Sie hatte sich nicht verändert - sie war die gleiche geblie- ben. Sie hatte geglaubt, sie hätte endlich jemanden gefunden, der sie liebte und den sie liebte, und jetzt zerfiel alles zu Staub.
Louisa seufzte niedergeschlagen. Selbst wenn David sie gebeten hätte, ihn zu heiraten, wäre es vergeblich gewesen. Sie konnte sich nur allzugut die Reaktion ihrer Eltern vorstellen, wenn ein arbeits- loser Matrose ohne einen Pfennig in der Tasche es wagen würde, um die Hand ihrer Tochter anzuhalten, für die sie eine gute Partie er- hofften.
Das war auch etwas, was sie nicht begreifen konnte. Ihre Eltern taten immer noch so, als würde sie den Marquis heiraten, obwohl er frischvermählt war mit einer schönen und lieben Frau. Nur ein Ver- rückter konnte glauben, daß der Marquis irgend jemand anderen als Elysia begehren könnte, und bestimmt interessierte er sich nicht für jemanden, der so unscheinbar war wie sie.
Aber momentan war die Stimmung in Blackmore ohnehin sehr merkwürdig. Papa war schlecht gelaunt und böse, trank heftig, und Mama war nervös und nörgelig. Sie weigerte sich oft stundenlang, ihr Zimmer zu verlassen.
Manchmal hatte sie wirklich das Gefühl, daß die beiden Fremde waren. Um ehrlich zu sein, besonders nahe war Louisa ihnen nie ge- standen. Sie zeigten nie irgendwelche Zuneigung für ihre Tochter, sie war nur Mittel zum Zweck, damit sie ihre Pläne verwirklichen konnten. Louisa war eine Schachfigur, die man in eine günstige Hei- rat manövrieren konnte.
Louisa seufzte, denn sie fürchtete, daß ihre Eltern, was das betraf, sehr enttäuscht werden würden. Aber das war ja nichts Neues. Sie war ohnehin eine Enttäuschung für die beiden. Sie war ein ganz nor- males, einfaches Mädchen ohne jeden Ehrgeiz, in der Londoner Ge- sellschaft zu brillieren. Sie war zufrieden damit, in Cornwall zu bleiben. Das einzige, worauf sie immer gehofft hatte, war, einen re- spektablen Mann zu lieben und eine Familie zu gründen, aber ihre Eltern hatten immer Höheres mit ihr geplant. Manchmal machte ihr hartnäckiges Streben nach Reichtum und gesellschaftlicher Stellung Louisa angst. Sie wußte, daß sie sie nie begreifen
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