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Durch Himmel und Hoelle

Durch Himmel und Hoelle

Titel: Durch Himmel und Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Der Dauerregen seit ihrer Ankunft vor über ei- ner Woche hatte endlich aufgehört und war einem dumpfen, be- deckten Himmel gewichen.
    Elysia erschauderte und stand auf. Sie zog ihren Schal fester um sich und setzte sich auf einen blaugrün gestreiften Satinsessel vor das zischende Feuer. Die Scheite sprühten orangefarbene Funken und brannten strahlend hell im Kamin.
    Von Lord Trevegne hatte sie bislang wenig gesehen. Nur beim Abendessen genoß sie das Privileg seiner Gesellschaft - ein Privileg, auf das sie nur allzu gerne verzichtet hätte. Die wenigen Stunden mit ihm waren entweder unerträglich durch seinen beißenden Sarkas- mus und seine grausamen Bemerkungen, oder sie war ein Nerven- bündel, weil seine kalten Augen sie durchdringend anstarrten. Sie wußte nicht, was von beidem schlimmer war.
    Unglücklicherweise waren sie immer die einzigen bei Tisch. Es gab keine Schwester oder ein anderes Familienmitglied, mit dem sie

sich hätte anfreunden können. Es gab nur einen jüngeren Bruder in London, der wahrscheinlich genau wie Lord Trevegne war. Warum nur hatte er keine große, herzliche Familie? Sie hätte sich in ihrem belanglosen Geplauder verlieren und vor seinem ständigen Mißfal- len Schutz finden können. Vor versammelter Familie hätte er sich sicher nicht so auf sie konzentriert wie jetzt, da sie beide allein an dem langen Bankettisch dinierten, der mit Kristall und Silber, das im Schein der Kandelaber funkelte, gedeckt war.
    Wodurch hatte sie ihn bloß so verärgert? Sie sah ihn doch nie so lange, daß sie etwas hätte tun können, was ihm mißfiel. Er strich durchs Haus wie ein Bär im Käfig und knurrte jeden an, der den Fehler beging, ihn anzusprechen. Selbst Dany war gegen seine üble Laune nicht immun.
    Elysia seufzte niedergeschlagen und betrachtete ihr altes wollenes Kleid. Sie haßte es wie die Pest, aber ihre beiden anderen waren in genauso schlechtem Zustand und hoffnungslos altmodisch. Kein Wunder, daß Lord Trevegne ihren Anblick kaum ertragen konnte und sich immer abwandte, als würde ihm übel, wenn sie ihm vor die Augen kam. Dennoch hatte sie ihn einige Male dabei ertappt, wie seine goldenen Augen sie abschätzend musterten, bis er ihren Blick bemerkte und sie grimmig anstarrte, als wolle er sagen: Wage ja nicht, etwas zu sagen!
    Elysia wandt sich vor Angst bei dem Gedanken, ihn um neue Kleider oder um Geld für etwas Stoff zu bitten, damit sie sich selbst etwas nähen könnte. Jedesmal wenn sie sich ein Herz fassen wollte, ließ sie der Gedanke an seinen unberechenbaren Jähzorn verstum- men.
    Dany war sehr gütig gewesen und hatte taktvoll ihr armseliges Aussehen ignoriert. Sie spürte, daß Elysia weder Mitleid noch milde Gaben akzeptieren würde. Elysia bemerkte aber auch die neugieri- gen Blicke der Dienerschaft und wußte, was sie im Dienstboten- trakt über sie flüsterten und klatschten. Die meisten Bediensteten

waren besser gekleidet als die Herrin von Westerley - konnte man ihnen da verdenken, daß sie nicht wußten, was sie von ihr, Lord Trevegnes mittelloser junger Frau, halten sollten?
    Elysia stand auf und lief gelangweilt in dem großen Raum auf und ab. Immer wieder mußte sie sich an die langen Tage harter Arbeit bei Tante Agatha erinnern - zugegeben, sie hatte sich nie gelang- weilt, dazu war sie viel zu beschäftigt gewesen. Anscheinend war es ihr nicht vergönnt, irgendwann glücklich zu sein. Was stimmte denn nicht mit ihr? Würde Sie nie einen Mittelweg finden? Entwe- der arbeitete sie sich zu Tode, oder sie langweilte sich zu Tode. Sie müßte doch zumindest fähig sein, ihre Freizeit zu genießen, — aber dabei fehlte etwas Entscheidendes, nur was? Gesellschaft?
    Elysia hatte festgestellt, daß in Westerley alles tadellos funktio- nierte, wie das komplizierte Werk einer Uhr - und das wohl schon seit Jahrhunderten. Als Marquise wurde von ihr kaum mehr erwar- tet, als die Blumenarrangements auszusuchen und den Speiseplan abzusegnen, den Lord Trevegnes französischer Koch zusammen- stellte. Und sie hatte noch nie Spaß daran gehabt, sich stundenlang der damenhaften Beschäftigung von Sticken und Handarbeiten hin- zugeben. Dabei schwirrten ihre Gedanken in alle Richtungen, und ihre Stiche taten leider dasselbe. In Westerley hatte sie zwar keine körperlich anstrengende Arbeit zu erledigen, aber sie existierte im- mer noch in diesem Niemandsland. Sie war kein Teil von etwas und gehörte nirgendwo hin. Dany hatte sich mit ihr angefreundet, aber sie war mit ihren

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