Durch Himmel und Hoelle
zahllosen Aufgaben beschäftigt, die ein so großer Haushalt erforderte, den sie nun schon seit fast zwanzig Jahren re- gierte. Und in einem Haus, das so groß war wie Westerley mit einer Armee von Bediensteten, überließ Elysia die Organisation nur allzu gern Dany - auch wenn die Haushälterin sie als neue Herrin akzep- tierte und sie bei allen größeren Problemen oder Entscheidungen zu Rate zog. Elysia verstand, warum Lord Trevegne diese kleine Frau liebte; sie war wirklich ein Juwel.
Aber nein, sie würde keine trüben Gedanken dulden. Sie war hier glücklich. Und wer wäre das nicht in diesem wunderschönen Haus? Und das Meer - die seltsam verlockende, aber brutale See, die sie jede Nacht in den Schlaf wiegte mit dem monotonen Lied der Bran- dung. Jede Nacht, wenn sie wach im Bett lag und ihren Mann ne- benan in seinem Zimmer hörte und sich fragte, ob er heute nacht zu ihr kommen und seine Rechte fordern würde. Das war der eigentli- che Grund für ihre Unruhe, ihre größte Sorge. Wäre da nicht diese ständige Angst gewesen, dann hätte sie hier auf Westerley wirklich glücklich sein können.
Elysia nahm ein zartes kleines Väschen, das mit einem Blumen- muster aus kleinen weißen und rosa Muscheln beklebt war, in die Hand. Der ganze Salon erinnerte ans Meer mit den dominierenden Grün- und Blautönen verschiedenster Schattierung, die sich mit der Vergoldung der Möbel mischten. An schönen Sommertagen war das Zimmer sicher lichtdurchflutet, dank der vielen Fenster, die bis zum Boden reichten. Sie konnte sich genau vorstellen, wie das Zim- mer aussehen würde, getaucht in die Strahlen der untergehenden Sonne, die das Rot und Blau und Gold der Orientteppiche glühen ließ. Die Gobelins an den Wänden würden zum Leben erwachen, an Tiefe gewinnen und die Illusion von Leben verbreiten. Aber heute in den düsteren Schatten des Winters, und verzweifelt wie sie war, erschien es kalt und streng.
Alle anderen Zimmer auf Westerley waren genauso prächtig ein- gerichtet. Der uralte Besitz war auf den Ruinen einer Normannen- festung erbaut, die einst das eroberte Land vor Eindringlingen schützte. Dany hatte Elysia überall herumgeführt, und sie war überrascht gewesen von der Größe und Pracht des Anwesens. Sie hatte nicht geahnt, daß Lord Trevegne so reich war. Sie hatte natür- lich vermutet, daß er nicht gerade am Hungertuch nagte, das war schon an seinen feinen Kleidern, der eleganten Kutsche, den präch- tigen Pferden und dem Hofstaat livrierter Diener zu erkennen ge-
wesen. Außerdem war er so selbstsicher, daß er einfach reich sein mußte. Seine Arroganz und seine Eleganz waren die unmißver- ständlichen Attribute eines vermögenden Mannes.
Elysia hatte den goldenen Salon gesehen mit all seiner goldenen Pracht und den Queen-Anne-Möbeln, den roten Empfangsraum, der aussah wie eine verführerische Lady mit einer Rubinparure - die dunklen Rottöne setzten sich prachtvoll vom glänzend polierten al- ten Mahagoni ab. Es gab einen Speisesaal, der champagner- und ro- séfarben gehalten war, mit einem Tisch, an dem hundert Personen Platz fanden, der sich aber vergleichsweise bescheiden neben dem Bankettsaal ausnahm, in dem sicher bis zu fünfhundert hungrige Gäste Platz fanden, aber jetzt sehr selten, wenn überhaupt benutzt wurde.
Elysias Lieblingszimmer war der Morgensalon mit Fenstern nach Osten, damit man an klaren Tagen die aufgehende Sonne genießen konnte. Die sahnegelben Kissen und Vorhänge waren wie ein Spie- gelbild der Sonnenstrahlen, die an schönen Tagen ins Zimmer fie- len, und Elysia hatte manchmal das Gefühl, Butter und Honig wür- den von den Wänden strömen.
Sie wußte nicht mehr, wie viele Salons und Schlafzimmer es in den verschiedenen Flügeln des Hauses gab. Jedes Zimmer war sorg- sam und elegant eingerichtet, so daß jeder Gast das Privileg hatte, in einem Bett mit Seidenhimmel oder unter einer zierlich bemalten Decke zu schlafen.
Sogar der Dienstbotentrakt war bestens in Schuß, gepflegt und anständig geheizt und belüftet, je nachdem, ob es Sommer oder Winter war, ein himmelweiter Unterschied zu den schäbigen, stik- kigen Dienstbotenzimmern in Graystone Manor.
Aber ihre größte Entdeckung auf ihren Forschungsgängen vom Keller bis zum Speicher, vom Westflügel zum Ostflügel, nachdem sie alle prachtvollen Zimmer gesehen und zahllose Treppen in dem riesigen Haus erklommen hatte, das teilweise noch aus der Zeit vor
Königin Elizabeth stammte, war Lord Trevegnes
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