Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan
Verzögerung nicht und leckte und schnupperte immer wieder an der Essenstüte. Als ich vor dem Friedhof parkte, war das Pappkartontablett so durchweicht, dass ich es mit beiden Händen tragen musste.
Boyd zerrte mich von Stein zu Stein, pinkelte einige an und scharrte dann mit seinen Hinterläufen die Grasnarbe auf. Schließlich blieb er vor einer Säule aus rosafarbenem Granit stehen, drehte sich um und jaulte.
Sylvia Hotchkins
Betrat diese Welt am 12. Januar 1945.
Verließ diese Welt am 20. April 1968.
Viel zu früh ging sie von uns, im Lenz ihres Lebens.
68 war für uns alle ein schweres Jahr, Sylvia.
Da ich mir sicher war, dass sie nichts gegen ein bisschen Gesellschaft hatte, hockte ich mich an den Fuß einer Eiche, die Sylvias Grab beschattete, und befahl Boyd, sich neben mich zu setzen.
Als ich einen Burger aus der Tüte zog, sprang er auf.
»Sitz.«
Er setzte sich. Ich wickelte den Burger aus und gab ihn ihm. Er stand auf, zerlegte ihn in seine Einzelteile und fraß dann hintereinander das Fleisch, das Brötchen und die Salat-Tomaten-Garnitur. Danach starrte er mit ketchupverschmierter Schnauze meinen Whopper an.
»Sitz.«
Er setzte sich. Ich schüttete Fritten auf das Gras, und er nahm sie vorsichtig auf, damit sie nicht zwischen die Halme sanken. Ich wickelte meinen Whopper aus und steckte einen Strohhalm in mein Getränk.
»Jetzt hör mal zu.«
Boyd hob kurz den Kopf und konzentrierte sich dann wieder auf seine Fritten.
»Aus welchem Grund ging Simon Midkiff zum Begräbnis eines vierundsiebzigjährigen Cherokee, der von einem Bär getötet wurde?«
Beide aßen wir und dachten darüber nach.
»Midkiff ist Archäologe. Vielleicht hat er über die Eastern Band Cherokee geforscht. Vielleicht war Tramper sein Führer und seine historische Quelle. – Okay. Das klingt einleuchtend.«
Ich biss ein Stück ab, kaute, schluckte.
»Warum war Parker Davenport dort?«
Boyd schaute mich an, ohne den Kopf von den Fritten zu heben.
»Davenport ist hier in der Gegend aufgewachsen. Wahrscheinlich kannte er Tramper.«
Boyds Ohren zuckten nach vorne, dann wieder zurück. Er fraß seine letzten Fritten und starrte dann meine an. Ich warf ihm ein paar hin.
»Vielleicht hatten Tramper und Davenport gemeinsame Freunde im Reservat. Oder vielleicht bastelte Davenport damals bereits an seiner politischen Karriere.«
Ich warf Boyd noch ein halbes Dutzend Fritten hin, und er stürzte sich sofort darauf.
»Nächste Frage. Kannten Davenport und Midkiff sich damals schon?«
Boyd hob den Kopf. Seine Augenbrauen tanzten, und die Zunge hing ihm aus der Schnauze.
»Wenn ja, woher?«
Er legte den Kopf schief und schaute mir zu, wie ich meinen Burger aufaß. Ich warf ihm den Rest meiner Fritten hin, und er fraß sie, während ich mein Diet Coke trank.
»Und jetzt kommt das Wichtigste, Boyd.«
Ich sammelte die Einwickelpapiere ein und knüllte sie mit den Überresten der Tüte zusammen. Als Boyd kein Essen mehr sah, legte er sich auf die Seite, seufzte laut und schloss die Augen.
»Midkiff hat mich angelogen. Davenport will meinen Kopf auf einem Pfahl sehen. Gibt es da eine Verbindung?«
Boyd hatte keine Antwort.
Ich lehnte mich an die Eiche und genoss die Wärme und das Licht. Das Gras roch frisch gemäht, das Laub trocken und von der Sonne gedörrt. Irgendwann stand Boyd auf, drehte sich viermal und legte sich dann wieder neben mich.
Kurz darauf kam ein Mann mit einem Collie an einem Stück Seil über die Hügelkuppe. Boyd setzte sich auf und bellte den Hund an, doch ohne jede Aggressivität. Die spätnachmittägliche Sonne stimmte Frau wie Hund sanft. Ich nahm seine Leine und stand auf.
In der Abenddämmerung schlenderten wir zwischen den Grabsteinen umher. Obwohl ich keinen Namen von der H&F-Liste entdeckte und auch keine Dashwoods, fand ich doch Steine mit vertrauten Namen. Thaddeus Bowman. Victor Livingstone und seine Tochter Sarah Masham Livingstone. Enoch McCready.
Ich dachte an Luke Bowmans Worte und fragte mich, was wohl den Tod von Rubys Gatten 1986 verursacht hatte. Anstelle von Antworten fand ich immer nur neue Fragen.
Aber ein Rätsel war gelöst. Eine vermisste Person gefunden. Ich wollte eben den Friedhof verlassen, als ich in der südlichsten Ecke auf eine schmucklose Grabplatte stieß. Sie trug nichts als die schlichte Inschrift:
Tucker Adams
1871-1943
R.I.P.
22
Nachdem ich den Friedhof verlassen hatte, fuhr ich zum High Ridge House, brachte Boyd in sein Gehege und ging in
Weitere Kostenlose Bücher