Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan
zurück.
Ich fand keinen Hinweis auf Prentice Dashwood, das Arthur-Anwesen oder auf die Teilhaber der H&F Investment Group. Das Einzige, was zumindest annähernd in diese Richtung wies, war im Mai 1959 eine Doppelseite über einen schweren Autounfall auf dem Highway 19. Sechs Verletzte, vier Tote. Fotos zeigten einen Trümmerhaufen. Dr. Anthony Allen Birkby, achtundsechzig, aus Cullowhee, starb drei Tage später an seinen vielfältigen Verletzungen. Der Name war zwar nicht gerade ungewöhnlich, aber immerhin wurde auf McMahons Fax ein C. A. Birkby erwähnt.
Zur Mittagszeit pochte mein Kopf, und mein Blutzucker war auf einen Pegel abgesunken, der lebensbedrohlich war. Ich zog einen Müsliriegel aus meiner Handtasche, schälte verstohlen die Hülle ab und kaute leise, während ich meine x-te Spule in den Betrachter fädelte.
Die Ausgaben aus jüngeren Jahren waren noch nicht auf Mikrofilm, und gegen Mitte des Nachmittags konnte ich endlich zu richtigen Zeitungen wechseln. Aber das Kopfweh blieb; aus einer leichten Unpässlichkeit hatte sich ein heftiger Schmerz entwickelt, der Stirn-, Schläfen- und Hinterhauptslappen umtoste und in einem Epizentrum hinter meinem rechten Auge pochte.
Die letzten Meter. Jetzt noch mal volle Kraft. Lass dir den Sieg nicht mehr nehmen.
Scheiße.
Ich blätterte in den diesjährigen Ausgaben, überflog Schlagzeilen und Fotos, als mir plötzlich ein Name ins Auge stach. George Adair. Der vermisste Angler.
Der Bericht über Adairs Verschwinden war sehr detailliert, nannte die genaue Zeit und den Ort seines Angelausflugs, beschrieb sein Aussehen und zählte sogar einzeln auf, was er getragen und bei sich hatte, bis hin zu seinem Highschool-Ring und seiner Plakette des heiligen Blasius.
Wieder blitzte ein Bild aus der Kindheit auf. Der Priester unserer Gemeinde. Das Segnen der Hälse am Tag des heiligen Blasius. Wie ging die Legende gleich wieder? Blasius hatte angeblich ein Kind vor dem Ersticken an einer Fischgräte gerettet. Die Plakette ergab so einen Sinn. Crowe hatte gesagt, dass Adair Halsprobleme hatte.
Adairs Begleiter war interviewt worden, wie auch seine Frau, seine Freunde, sein früherer Arbeitgeber und sein Priester. Neben dem Artikel war ein grobkörniges Foto abgedruckt, der Anhänger um seinen Hals war darauf gut zu erkennen.
Wer war Crowes andere vermisste Person gewesen? Ich zermarterte mir das pochende Hirn. Jeremiah Mitchell. Februar. Ich ging fast acht Monate zurück und suchte nun gründlicher. Kleine Dinge fügten sich plötzlich zu einem Bild zusammen.
Über Jeremiah Mitchells Verschwinden wurde nur in einem kurzen Absatz berichtet. Am 15. Februar verließ ein zweiundsiebzigjähriger männlicher Schwarzer das Mighty High Tap und wurde seitdem nicht mehr gesehen. Jeder, der Informationen besitze, bla, bla, bla.
Alte Gewohnheiten sterben nur langsam aus, dachte ich und spürte, wie Wut in mir hochkochte. Ein weißer Mann wird vermisst: Riesenartikel. Ein schwarzer Mann wird vermisst: ein paar Zeilen auf Seite siebzehn. Vielleicht lag es auch an der Stellung im Leben: George Adair hatte Arbeit, Freunde, Familie. Jeremiah war ein arbeitsloser Alkoholiker, der allein lebte.
Aber Mitchell hatte einmal Familie gehabt. Ein Folgeartikel erschien Anfang März, wieder nur ein Absatz, der um Informationen bat und den Namen seiner Großmutter mütterlicherseits erwähnte, eine gewisse Martha Rose Gist. Ich starrte den Namen an. In welchem der alten Jahrgänge hatte ich ihn gelesen?
Ich kehrte wieder zu den Kästen zurück und ließ die Mikrofilme wochenweise an mir vorbeirauschen. Die Todesanzeige erschien am 16. Mai 1952, zusammen mit einem Nachruf auf der Kulturseite. Martha Rose Gist war eine in der Gegend berühmte Töpferin gewesen. Zu dem Artikel gehörte ein Foto einer schön dekorierten Keramikschüssel, aber keins der Künstlerin.
Verdammt!
Ich schaute mich um, um sicher zu gehen, dass dieser Raum auch wirklich leer war, und schaltete mein Handy ein. Sechs Nachrichten. Ich ignorierte sie, wählte Crowes Nummer und dämpfte dabei die Wähltöne mit meiner Jacke.
»Sheriff Crowe.«
Ich machte mir nicht die Mühe, meinen Namen zu nennen.
»Kennen Sie Sequoya?«, fragte ich in einem lauten Flüstern.
»Sind Sie in einer Kirche?«
»In der Bibliothek von Bryson City.«
»Wenn Iris Sie erwischt, reißt sie Ihnen die Lippen ab und schiebt sie in ihren Reißwolf.«
Ich nahm an, dass Iris der Drachen mit den lila Haaren war, den ich an der Rezeption kennen
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