Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan
Parker Davenport gehörte zu ihnen.«
Er steckte die Fotokopien in seine Aktentasche und durchbohrte mich mit müden Augen.
»Berufliche Sabotage war für ihn ein Mittel, um Sie von diesem Haus fern zu halten.« Larke deutete mit dem Arm über die Seziertische. »Sie von dieser Arbeit hier abzubringen.«
Ich erwiderte nichts.
»Und ich wurde mit hineingezogen.«
Noch immer schwieg ich.
»Gibt es irgendetwas, das ich Ihnen sagen kann?«
»Es gibt Dinge, die Sie zu meinen Kollegen sagen können.«
»Ich schreibe sofort Briefe an die AAFS, die ABFA und die NDMS.« Er griff nach meinem Handgelenk. »Ich werde gleich am Montag früh die Direktoren all dieser Organisationen anrufen und ihnen alles persönlich erklären.«
»Und die Presse?« Obwohl ich wusste, dass er litt, konnte ich keine Herzlichkeit in meine Stimme zwingen. Seine Illoyalität hatte mich verletzt, sowohl beruflich wie persönlich.
»Das kommt noch. Ich muss erst entscheiden, wie das am besten zu machen ist.«
Am besten für wen, fragte ich mich.
»Falls das ein Trost für Sie ist, Earl Bliss hat auf meinen Befehl hin gehandelt. Er glaubte nie irgendetwas, das gegen Sie vorgebracht wurde.«
»Die meisten, die mich kennen, glaubten es nicht.«
Er ließ meinen Arm los, doch sein Blick blieb auf mir ruhen. Offensichtlich nahm ihn die Sache so mit, dass er nun aussah wie ein müder alter Mann.
»Tempe, ich bin beim Militär ausgebildet worden. Ich glaube daran, dass es richtig ist, Befehlsstrukturen zu respektieren und die rechtmäßigen Anordnungen meiner Vorgesetzten auszuführen. Diese Haltung hat mich dazu verleitet, Dinge nicht zu hinterfragen, die ich hätte hinterfragen sollen. Machtmissbrauch ist etwas Entsetzliches. Die Unfähigkeit, einem korrumpierenden Druck zu widerstehen, ist ähnlich verwerflich. Es ist Zeit, dass dieser alte Köter aufsteht und die Veranda verlässt.«
Ich empfand eine tiefe Traurigkeit, als ich ihn weggehen sah. Larke und ich waren viele Jahre lang Freunde gewesen. Ich fragte mich, ob wir je wieder Freunde sein könnten.
Während ich mir Kaffee machte, wanderten meine Gedanken zu Simon Midkiff. Natürlich. Jetzt ergab alles einen Sinn. Sein starkes Interesse an der Absturzstelle. Die Lügen in Bezug auf seine angebliche Ausgrabung im Swain County. Das Foto mit Parker Davenport bei Charlie Wayne Trampers Beerdigung. Er gehörte zu ihnen.
Eine plötzliche Rückblende. Der schwarze Volvo, der mich fast überfahren hätte. Der Mann am Steuer war mir irgendwie bekannt vorgekommen. Konnte es Simon Midkiff gewesen sein?
Ich beendete eben meinen Bericht über Edna Farrell, als mein Handy zum zweiten Mal klingelte.
»Sir Francis Dashwood war ein sehr fortpflanzungsfreudiger Kerl.«
Die Aussage kam nicht aus der Galaxie, in der mein Geist sich bewegte.
»Wie bitte?«
»Ich bin’s, Anne. Ich habe eben Sachen von unserer Londonreise sortiert und bin auf eine Broschüre gestoßen, die Ted bei den Höhlen in West Wycombe gekauft hat.«
»Anne, jetzt ist nicht –«
»Von dem gibt’s noch immer Kleckse.«
»Kleckse?«
»Ich meine Nachfahren von Sir Francis, später bekannt als Lord Le Despencer. Nur zum Spaß habe ich den Namen Prentice Dashwood in eine Genealogie-Internetseite, bei der ich registriert bin, eingegeben. Ich konnte gar nicht glauben, wie viele Treffer ich bekam. Einer war besonders interessant.«
Ich wartete.
Nichts.
Ich hielt es nicht mehr aus.
»Soll das ein Quiz werden?«
»Prentice Elmore Dashwood, einer von Sir Francis’ vielen Nachkommen, verließ England 1921. Er eröffnete in Albany, New York, ein Kurzwarengeschäft, verdiente sich eine goldene Nase und ging dann in den Ruhestand.«
»Das ist alles?«
»Während seiner Zeit schrieb Dashwood dutzende von Pamphleten, die er im Selbstverlag herausbrachte. Eins davon erzählte Geschichten von seinem Ur-Ur-Großirgendwas, Sir Francis Dashwood dem Zweiten.«
»Und die anderen Pamphlete?« Wenn ich nicht nachfragte, würde das ewig dauern.
»Querbeet. Die Liedtexte der australischen Aborigines. Die mündlichen Überlieferungen der Cherokee. Zelten. Fliegenfischen. Griechische Mythologie. Eine kurze Ethnografie der karibischen Indianer. Prentice war so etwas wie ein Rennaissance-Mensch. Er schrieb drei Broschüren und verschiedene Artikel, die sich ausschließlich mit dem Appalachian Trail befassten. Anscheinend war der große P maßgeblich an der Gründung des Pfades in den Zwanzigern beteiligt.«
Wie bitte? Der Appalachian Trail,
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