Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan
Berge.«
»Sind Sie eine Cherokee?«
Das typische Crowe-Nicken.
Noch eine Frage beantwortet.
»Wie ist Ihr Verhältnis zu Larke Tyrell?«
Ich lachte.
»Vor zwei Tagen erhielt ich aus seinem Büro ein Belobigungsschreiben, in dem er die volle Verantwortung für das Missverständnis übernimmt, mich von jedem Verdacht des Fehlverhaltens freispricht und mir für meinen unschätzbaren Beitrag zur Bewältigung des TransSouth-Air-Absturzes dankt. Kopien davon gingen an alle bis auf die Herzogin von York.«
Wir verließen den Friedhof und gingen die Straße entlang zu unseren Autos. Ich steckte eben den Schlüssel ins Schloss, als sie mir noch eine Frage stellte.
»Konnten Sie die Fratzen am Tunneleingang identifizieren?«
»Harpocrates und Angerona waren die ägyptischen Götter der Stille, eine Mahnung für die Brüder an ihr Schweigegelübde. Auch das war eine Anleihe bei Sir Francis.«
»Die Namen?«
»Literarische und historische Verweise auf Kannibalismus. Einige sind ziemlich obskur. Sawney Beane war ein schottischer Höhlenbewohner des vierzehnten Jahrhunderts. Der Legende nach schlachtete die Familie Reisende ab und verspeiste sie. Dasselbe bei Christie o’ the Cleek. Er und seine Familie lebten in einer Höhle in Angus und taten sich an vorbeikommenden Reisenden gütlich. John Gregg hielt die Tradition im achtzehnten Jahrhundert in Devon aufrecht.«
»Mr. B?«
»Baxbakualanuxsiwae.«
»Sehr gut.«
»Ein Stammesgeist der Kwakiutl, ein bärenähnliches Monster, dessen Körper mit blutigen, gefletschten Mäulern bedeckt war.«
»Der Schutzheilige der Hamatsa.«
»Genau der.«
»Und die Codenamen?«
»Pharaonen, Götter, archäologische Entdeckungen, Figuren aus uralten Legenden. Henry Preston war Ilus, der Gründer Trojas. Kendall Rollins war Piankhy, ein alter nubischer König. Aber hören Sie sich das an. Parker Davenport wählte den aztekischen Gott Ometeotl, den Herren der Dualität. Meinen Sie, er war sich dieser Ironie bewusst?«
»Haben Sie sich das Wappen des Staates North Carolina schon einmal genauer angesehen?«
Ich musste zugeben, dass ich das nicht hatte.
»Das Motto stammt aus Ciceros Essay ›Über die Freundschaft‹: ›Esse quam videri‹.«
Die Colaflaschen-Augen blickten unverwandt in meine.
»›Mehr sein als scheinen.‹«
Als ich den Schoolhouse Hill hinunterfuhr, fiel mir ein Aufkleber auf der Stoßstange des vor mir fahrenden Autos auf.
Wo verbringst du die Ewigkeit?
Auch wenn die Frage sich auf eine andere Zeitdimension bezog, als ich im Kopf hatte, ging sie doch in eine Richtung, die auch mich beschäftigte. Wo würde ich die vor mir liegende Zeit verbringen? Und vor allem, mit wem?
Während meiner Rekonvaleszenz war Pete sehr fürsorglich und hilfsbereit gewesen, hatte mir Blumen gebracht, Birdie gefüttert und Suppe in der Mikrowelle aufgewärmt. Wir hatten uns alte Filme angesehen, lange Gespräche geführt. Wenn er nicht da war, dachte ich zurück an unser gemeinsames Leben. Ich erinnerte mich an die guten Zeiten. Ich erinnerte mich an die Streits, die kleineren Irritationen, die schwelten und irgendwann zu einem offenen Kampf eskalierten.
Dabei hatte ich eins erkannt: Ich liebte meinen von mir getrennten Ehemann, und in unseren Herzen würden wir immer verbunden sein. Aber im ehelichen Bett konnten wir nicht länger verbunden sein. Auch wenn Pete attraktiv, liebevoll, lustig und intelligent war, so hatte er doch eins gemeinsam mit Sir Francis und seinen Höllenfeuer-Kumpels: Er würde immer ein Schürzenjäger bleiben.
Pete war eine Mauer, an der ich mir ewig den Kopf würde einschlagen können. Wir waren viel bessere Freunde als Lebensgefährten, und deswegen wollte ich es auch so halten.
Am Fuß des Hügels bog ich auf die Main ein.
Ich hatte auch an Andrew Ryan gedacht.
An Ryan, den Kollegen. Ryan, den Polizisten. Ryan, den Onkel.
Danielle war keine Geliebte. Sie war seine Nichte. Das war gut.
Ich dachte an Ryan, den Mann.
Den Mann, der an meinen Zehen saugen wollte.
Das war sehr gut.
Wegen der Verletzungen, die Pete mir zugefügt hatte, zögerte ich, mich auf eine Beziehung mit Ryan einzulassen, ich wollte ihm nahe sein, gleichzeitig aber auch Abstand wahren, wie eine Motte, die von einer Flamme angelockt wird. Angezogen, aber auch ängstlich.
Brauchte ich einen Mann in meinem Leben?
Nein.
Wollte ich einen?
Ja.
Wie hieß es in diesem Lied? Lieber bedauere ich etwas, das ich getan habe, als dass ich bedauere, etwas nicht getan zu
Weitere Kostenlose Bücher