Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan
zögerte. Zwar wollte ich das Neueste über die Ermittlungen hören, hatte aber Vorbehalte gegen den Überbringer.
»Es war ein total beschissener Tag, Brennan. Ich möchte mich für mein schlechtes Benehmen entschuldigen.«
Obwohl ich nur wenig Zeit gehabt hatte, darüber nachzudenken, hatte die Konfrontation zur Mittagszeit mich zu einer Entscheidung gebracht. Ich wollte den Kreis der Katastrophen beenden, der meine Beziehung zu Ryan gewesen war. Von jetzt an würde unser Verhältnis ausschließlich beruflich sein.
»Erzähl.«
Ryan klopfte neben sich auf die Schaukel.
Ich ging zu ihm, blieb aber stehen.
»Warum eine Explosion?«
»Setz dich.«
»Wenn das eine Anmache sein soll, kannst du –«
»Es gibt Kraterung und Faserdurchdringungen.«
Im Dämmerlicht der Deckenlampe sah Ryans Gesicht aus, als hätte alles Leben es verlassen. Er inhalierte tief und schnippte dann die Kippe in Rubys Farne. Ich sah Funken durch die Dunkelheit fliegen und hatte dabei den Absturz der TransSouth Air 228 vor Augen.
»Willst du es hören?«
Ich setzte mich auf die Schaukel und stellte meinen Rucksack zwischen uns.
»Was ist Kraterung?«
»Kraterung entsteht dann, wenn ein fester oder ein flüssiger Stoff plötzlich in Gas umgewandelt wird.«
»Wie bei einer Detonation.«
»Ja. Bei einer Explosion schnellt die Temperatur um tausende von Grad in die Höhe, und die entstehende Druckwelle schleudert Gaspartikel mit hoher Geschwindigkeit gegen Metalloberflächen. So haben die Explosionsexperten es erklärt. Sie haben heute bei der Besprechung Dias gezeigt. Sieht fast aus wie eine Orangenschale.«
»Sie haben Kraterung gefunden?«
»Auf Fragmenten haben sie sie entdeckt. Und auch aufgebogene Kanten, was ein weiterer Hinweis ist.«
Er gab der Schaukel einen leichten Schubs.
»Und was ist Faserdurchdringung?«
»Die Spezialisten stellen fest, dass Fasern gewisser Materialien durch andere, unbeschädigte Materialien getrieben wurden. Natürlich sieht man das alles nur unter Hochleistungsmikroskopen. Außerdem finden sie Hitzebrüche und Lichtblitzschmelzungen an den Enden einiger Fasern.«
Noch ein leichtes Schwingen, und mir kam der griechische Salat hoch, den ich nach Verlassen des Leichenschauhauses verschlungen hatte.
»Beweg die Schaukel nicht.«
»Einige von den Vergrößerungen sind erstaunlich.«
Ich zog den Reißverschluss meiner Jacke zu und steckte die Hände in die Taschen. Obwohl die Tage noch warm waren, wurden die Abende bereits frisch.
»Also bedeuten Kraterung und aufgebogene Kanten bei Metall sowie Lichtblitzschmelzung und Faserdurchdringungen eine Explosion. Unsere Verletzungen im unteren Beinbereich passen dazu.«
»Und ebenfalls die Tatsache, dass ein großer Teil des Rumpfs intakt gelandet ist.«
Ich stellte einen Fuß auf, um unsere Bewegung zu stoppen.
»Das alles ergibt eine Explosion.«
»Verursacht wodurch?«
»Bombe. Rakete. Technisches Versagen. Die Explosionsexperten der FAA werden eine chromatografische Analyse durchführen, um herauszufinden, welche Chemikalien vorhanden sind, sowie Radiofotografie und Röntgendiffraktion, um Molekülarten zu identifizieren. Und noch was. Ach ja. Infrarot-Spektrofotometrie. Ich weiß nicht genau, wozu das dient, aber es klingt gut. Das Ganze natürlich nur, wenn sie dem Forensiklabor des FBI den Job entreißen können.«
»Rakete?« Es war das erste Mal, dass ich von dieser Möglichkeit gehört hatte.
»Nicht sehr wahrscheinlich, aber es wurde zur Sprache gebracht. Kannst du dich noch an den Rummel erinnern wegen des Gerüchts, eine Rakete hätte TWA 800 vom Himmel geholt? Pierre Salinger hat seine Eier drauf verwettet, dass die Navy schuld war.«
Ich nickte.
»Und diese Hügel hier sind die Heimat von Milizengruppen. Vielleicht haben sich Eric Rudolphs White-Trash-Kumpel auf dem Waffenmarkt umgesehen und ein neues Spielzeug gekauft.«
Rudolph wurde gesucht in Verbindung mit einer Reihe von Anschlägen auf Abtreibungskliniken und als Verdächtiger für das Bombenattentat auf die Olympischen Spiele 1996 in Atlanta. Es gab Gerüchte, er habe sich in diese Hügel geflüchtet.
»Hat man schon eine Vorstellung, wo diese Explosion stattfand?«
»Das kann man zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Die Dokumentationsgruppe für das Kabineninnere stellt gerade eine Sitzbeschädigungs-Karte zusammen, die helfen wird, die Explosion genau zu lokalisieren.«
Ryan stieß sich mit den Zehen ab, aber ich stoppte die Schaukel mit dem Fuß.
»Unsere Gruppe
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