Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan
im Hintergrund Stimmen und sah auf die Uhr. Zehn nach acht.
»Bist du im Büro?«
»Ja, Ma’am.«
»Warum rufst du an?«
»Du wolltest, dass ich dich aufwecke.«
»Oh.« So machten wir das früher immer. »Danke.«
»Kein Problem.«
»Danke, dass du auf Birdie aufgepasst hast.«
»Hat er sich schon gezeigt?«
»Kurz. Schien mir ziemlich gereizt.«
»Der alte Bird hat eben so seine Launen.«
»Hunde mochte Birdie noch nie.«
»Oder Veränderung.«
»Oder Veränderung.«
»Manche Veränderungen sind gut.«
»Ja.«
»Ich habe mich geändert.«
Das hörte ich nicht zum ersten Mal von Pete. Er sagte es nach seinem Techtelmechtel mit einer Gerichtsstenografin vor drei Jahren und dann noch einmal nach einer Episode mit einer Immobilienmaklerin. Den Hattrick hatte ich nicht abgewartet.
»Das war eine schlimme Zeit für mich«, fuhr er fort.
»Ja. Für mich auch.«
Ich legte auf, und während ich mich ausgiebig duschte, dachte ich darüber nach, was zwischen uns schief gelaufen war. Pete war immer da gewesen, wenn ich Rat, Trost oder Unterstützung gebraucht hatte. Er war mein Sicherheitsnetz gewesen, die Ruhe, die ich nach einem Tag der Stürme suchte. Die Trennung war verheerend gewesen, aber sie hatte in mir auch eine Stärke zu Tage gefordert, von der ich nie gewusst hatte, dass ich sie besaß.
Oder je genutzt hätte.
Während ich mich abtrocknete und die Haare in ein Handtuch wickelte, betrachtete ich mich im Spiegel.
Frage: Was hatte ich mir letzte Nacht gedacht?
Antwort: Ich hatte überhaupt nicht gedacht. Ich war wütend gewesen, verletzt, verwundbar und allein. Und ich hatte seit langem keinen Sex mehr gehabt.
Frage: Würde es wieder passieren?
Antwort: Nein.
Frage: Warum nicht?
Antwort: Warum nicht? Ich liebte Pete noch immer. Ich liebte ihn, seit ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte, barfuß und mit nacktem Oberkörper auf den Stufen der juristischen Bibliothek. Ich liebte ihn, als er wegen Judy, dann wegen Ellen log. Ich liebte ihn, als ich vor zwei Jahren meine Sachen packte und ging.
Und offensichtlich fand ich ihn noch immer sehr sexy.
Meine Schwester Harry liebt drastische Ausdrücke. Saublöd ist so einer. Ich liebe Pete und ich finde ihn sexy, dachte ich, aber ich bin doch nicht saublöd. Deshalb wird es nicht noch einmal passieren.
Ich wischte den Dampf vom Spiegel und erinnerte mich an das alte Ich, das mich damals aus eben diesem Spiegel heraus angeblickt hatte. Meine Haare waren blond gewesen, als wir hier einzogen, und sie fielen mir lang und gerade auf die Schultern. Jetzt sind sie kurz, und ein Blondchen bin ich auch keins mehr. Aber es schleichen sich die ersten grauen Haare ein, und bald werde ich wohl die Clairol-Brauntöne ausprobieren. Die Falten um meine Augen sind mehr und tiefer geworden, aber das Fleisch am Kinn ist noch fest, und meine Oberlider sind geblieben, wie sie waren.
Pete sagte immer, mein Hintern sei das Beste an mir. Auch der ist an Ort und Stelle geblieben, was inzwischen allerdings Arbeit kostet. Doch im Gegensatz zu vielen meiner Altersgenossinnen besitze ich keine Spandex-Trikots und hatte noch nie einen persönlichen Trainer. Ich habe kein Laufband, keine Tretmaschine, kein Heimfahrrad. Ich besuche keine Aerobic- oder Kickbox-Kurse und habe seit über fünf Jahren an keinem organisierten Lauf mehr teilgenommen. Ich gehe ins Fitnessstudio in T-Shirts und FBI-Shorts, die an der Taille mit einer Kordel gehalten werden. Ich jogge oder schwimme, arbeite mit Gewichten und gehe dann wieder. Wenn es schön ist, laufe ich draußen.
Ich versuche auch, mehr auf das zu achten, was ich esse. Täglich Vitamine. Rotes Fleisch nicht öfters als dreimal pro Woche. Junk Food nicht öfters als fünfmal.
Ich wollte mir eben den Slip anziehen, als mein Handy klingelte. Ich rannte ins Schlafzimmer und schnappte mir den Apparat.
»Wohin bist du denn verschwunden?«
Ryans Stimme traf mich völlig unerwartet. Ich stand da, den Slip in der einen Hand, das Handy in der anderen, und brachte keinen Ton heraus.
»Hallo?«
»Ich bin hier.«
»Wo hier?«
»Ich bin in Charlotte.«
Eine Pause entstand. Ryan redete als Erster wieder.
»Diese ganze Geschichte ist ein absoluter Blöd –«
»Hast du mit Tyrell gesprochen?«
»Kurz.«
»Hast du ihm die Kojoten-Episode beschrieben?«
»In lebhaften Farben.«
»Und was hat er gesagt?«
»Vielen Dank. Sir.« Ryan ahmte den Südstaatenakzent des ME nach.
»Das ist nicht auf Tyrells Mist gewachsen.«
»Irgendwas
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