Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan
Vom Brötchen regneten klebrige Klumpen auf das käsige Verbindungsband.
»Aber er hat dich gesehen. Zumindest von hinten.«
»Was denkt das FBI über meine Suspendierung?«
»Ich kann nicht für das ganze Bureau sprechen, aber ich weiß, dass McMahon kein großer Freund des Vize deines Staates ist.«
»Ich weiß ja nicht sicher, ob Davenport hinter der Beschwerde steckt.«
»Ob oder ob nicht, McMahon hat jedenfalls nichts für ihn übrig. Er nannte Davenport einen hirnlosen Hinternputzer.« Ryan löffelte sich Chili in den Mund, spülte es mit Bier hinunter. »Wir Iren sind im Herzen alle Dichter.«
»Dieser hirnlose Hinternputzer kann dich aber nach Kanada zurückschicken.«
»Wie war dein Nachmittag?«
»Ich war im Reservat.«
»Hast du Tonto gesehen?«
»Woher habe ich gewusst, dass du das fragen würdest?«
Ich griff in meine Tasche und zog die Mokassins heraus.
»Ich wollte dir etwas aus meiner Heimat schenken.«
»Als Buße dafür, wie du mich in letzter Zeit behandelt hast?«
»Ich habe dich wie einen Kollegen behandelt.«
»Ein Kollege, der dir gern die Zehen lecken würde.«
In meinem Bauch kribbelte es.
»Mach das Päckchen auf.«
Er tat es.
»Klasse.«
Er legte das rechte Bein auf das linke und tauschte einen Boot gegen einen Mokassin. Eine toupierte Tussi hörte auf, das Etikett von ihrem Coors zu zupfen und sah ihm zu.
»Von Sitting Bull selbst gemacht?«
»Sitting Bull war Sioux. Die wurden wahrscheinlich von Wang Chou Lee gemacht.«
Er tauschte die Schuhe am anderen Fuß. Die Tussi tippte ihre Begleiterin mit dem Ellbogen an.
»Du solltest sie hier vielleicht nicht tragen.«
»Aber natürlich tue ich das. Sie sind ein Geschenk von einer Kollegin.«
Er packte die Boots in die Mokassinschachtel und wandte sich wieder seinem Chili zu.
»Hast du irgendwelche interessanten Eingeborenen getroffen?«
Eigentlich wollte ich Nein sagen. »Wenn man’s genau nimmt, schon.«
Er sah mich mit Augen an, die so blau waren, dass er in einem finnischen Dorf nicht aufgefallen wäre.
»Oder genauer, möglicherweise.«
Ich berichtete ihm den Vorfall mit dem Volvo.
»Mein Gott, Brennan. Wie schaffst du –«
»Ich weiß. Wie ich es schaffe, immer in solche Situationen zu geraten. Meinst du, ich sollte mir deswegen Sorgen machen?« Ich hoffte, er würde Nein sagen.
Bimmel. Bimmel. Bimmel. Bimmel.
Klopf. Klopf. Eins. Zwei. Drei. Vier.
Chili.
Bier.
Gesprächsfetzen.
»Die Dekonstruktivisten sagen uns, dass nichts real ist, aber ich habe in meinem Leben eine oder zwei Binsenwahrheiten erkannt. Die erste ist: Wenn du von einem Volvo angegriffen wirst, nimm es ernst.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob der Typ mich wirklich überfahren wollte. Vielleicht hat er mich einfach nicht gesehen.«
»Hast du das in dem Augenblick auch gedacht?«
»Ich hatte das Gefühl, er wollte.«
»Zweite Binsenwahrheit: Erste Volvo-Eindrücke sind meistens richtig.«
Wir beendeten unsere Mahlzeit, und Ryan war eben auf der Toilette, als ich Lucy Crowe eintreten und zur Bar gehen sah. Sie war in Uniform und bewaffnet und sah Furcht einflößend aus.
Ich winkte, aber Crowe bemerkte mich nicht. Ich stand auf und winkte noch einmal, und eine Stimme bellte: »Du versperrst die Sicht. Hock dich auf deinen Arsch oder schieb ihn beiseite.«
Ich ignorierte die Aufforderung und wedelte mit beiden Armen. Crowe sah mich, nickte und hielt den Zeigefinger in die Höhe. Während ich mich wieder setzte, gab der Zapfer ihr ein Glas und beugte sich dann vor, um ihr etwas zuzuflüstern.
»He, Knackarsch!«
Eine missachtete Dumpfbacke ist nie nett. Ich ignorierte ihn weiter, und er hörte nicht auf zu sticheln.
»He, du mit der Windmühlennummer.«
Dumpfbacke wollte eben noch eins drauflegen, als er sah, dass der Sheriff in meine Richtung kam. Da besann er sich eines Besseren, kippte sein Bier und konzentrierte sich wieder auf das Spiel.
Ryan und Crowe kamen gleichzeitig an meinen Tisch. Der Sheriff bemerkte Ryans Schuhe und sah dann mich an.
»Er ist Kanadier.«
Ryan sagte nichts, sondern setzte sich einfach wieder.
Crowe stellte ihr 7Up auf den Tisch und setzte sich ebenfalls.
»Dr. Brennan hat eine Geschichte zu erzählen«, sagte Ryan und zog seine Zigaretten aus der Tasche.
Ich warf ihm einen eisigen Blick zu. Lieber hätte ich zehn Steuerprüfungen über mich ergehen lassen, als Crowe die Sache mit dem Volvo zu erzählen.
Sie hörte zu, ohne mich zu unterbrechen.
»Haben Sie die
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