Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan
Sie ein Kneipengegner?«
»Wie bitte?«
»Ich gehöre zu denen, die berauschende Getränke als die Hauptursache für Verbrechen, Armut und Gewalt in dieser großartigen Nation sehen. Schnaps ist die größte Bedrohung für die Familie, die Luzifer je hervorgebracht hat.«
Plötzlich sagte mir der Name Bowman etwas.
»Sind Sie Luke Bowman?«
»Bin ich.«
»Der Reverend Luke Bowman?«
»Sie haben von mir gehört?«
»Ich wohne bei Ruby McCready im High Ridge House.« Es war unwichtig, erschien mir aber auch unbedenklich.
»Schwester McCready gehört nicht zu meiner Herde, aber sie ist eine gute Frau. Führt ein gutes, christliches Haus.«
»Gibt es eigentlich auch einen Mr. McCready?« Diese Frage beschäftigte mich schon eine ganze Weile, ich hatte mich aber nie getraut zu fragen.
Jetzt blieben die Augen auf der Straße. Sekunden vergingen. Ich dachte schon, er würde gar nicht antworten.
»Ich werde diese Frage auf sich beruhen lassen, Ma’am. Es ist besser, wenn Schwester McCready die Geschichte so erzählt, wie sie es für richtig hält.«
»Wie heißt denn Ihre Kirche?«
»Eternal Light Holiness-Pentecostal House of God.« Das Heiligkeits-Pfingst-Haus Gottes zum Ewigen Licht. O je.
Die südlichen Appalachians sind die Heimat einer fundamentalistisch christlichen Sekte mit dem Namen Church of God with Signs Following, die Kirche Gottes, die den Zeichen folgt. Man nennt sie auch Holiness Church, die Heiligkeitskirche. Inspiriert von bestimmten Bibelstellen suchen ihre Anhänger die Kraft des Heiligen Geistes, indem sie ihre Sünden bereuen und ein gottesfürchtiges Leben fuhren. Nur dann wird der Gläubige gesalbt und dadurch in die Lage versetzt, den Zeichen zu folgen. Zu diesen Zeichen gehören das Sprechen in Zungen, das Austreiben von Dämonen, Krankenheilung, der Umgang mit Schlangen und die Einnahme giftiger Substanzen.
In dichter besiedelten Gegenden gründen Prediger ortsfeste Gemeinden. In anderen begeben sie sich auf Rundreisen. Die Gottesdienste dauern Stunden, und es kann vorkommen, dass der Priester im Hauptteil Strychnin trinkt oder mit giftigen Schlangen hantiert. Der Ruhm der Gottesmänner und ihre Anhängerschaft wachsen je nach ihrem rhetorischen Geschick und ihrer Immunität gegen Gifte. Jedes Jahr stirbt jemand.
Jetzt ergab die entstellte Hand einen Sinn. Bowman war mehr als einmal gebissen worden.
Einige Blocks hinter dem Supermarkt, in dem ich eingekauft hatte, bog Bowman links ab und dann rechts in eine gefurchte Seitenstraße. P & T Auto Repair lag zwischen einer Glaserei und einer Reparaturwerkstatt für Haushaltsgeräte. Der Reverend fuhr auf den Hof und stellte den Motor ab.
Die Werkstatt war ein rechteckiges Gebäude aus blauem Aluminium mit einem Büro an einem Ende. Durch die offene Tür konnte ich eine Registrierkasse, eine Theke und drei Köpfe mit Schildmützen erkennen.
Das andere Ende des Gebäudes beherbergte die Werkstatt, in der ein zerbeulter Chevy mit offenen Türen auf einer Hebebühne stand. Das Auto sah aus, als würde es gleich abheben.
Ein alter Pinto und zwei Pick-ups standen vor dem Büro. Einen Abschleppwagen sah ich nirgends.
Als Bowman ausstieg, gab Boyd einen Laut von sich, der mir sagte, dass er nicht den Pinto anknurrte. Ich folgte seinem Blick und sah einen schwarz-braunen Hund, der in der Bürotür lag. Er sah aus wie ein reinrassiger Pitbull.
Boyd fletschte die Zähne. Sein Körper spannte sich an, das Knurren wurde tiefer.
Verdammt. Warum hatte ich die Leine nicht mitgenommen?
Ich packte Boyds Halsband, öffnete die Tür, und wir sprangen gemeinsam heraus. Bowman kam mit einem Stück Seil zu uns.
»Hatte das hinten drin«, sagte er. »Flush kann ziemlich launisch sein.«
Ich dankte ihm und machte das Seil am Halsband fest. Boyd starrte weiter gebannt auf den anderen Hund.
»Ich halte ihn sehr gerne, während Sie mit dem Mechaniker reden.«
Ich sah Boyd an. Er starrte Flush an und dachte wohl an Flankensteaks.
»Danke. Das dürfte nicht verkehrt sein.«
Ich überquerte den Hof, trat durch die Tür und umkreiste Flush. Ein Ohr zuckte, aber er sah nicht hoch. Vielleicht sind Pitbulls so ruhig, weil sie wissen, dass sie alles töten können, was sie provoziert. Ich hoffte, dass auch Boyd still und auf Distanz blieb.
Das Büro hatte die übliche geschmackvolle Werkstatteinrichtung. Ein Kalender mit einem Foto des Grand Canyon und Abreißblätter für jeden Monat. Ein Zigarettenautomat. Eine Glasvitrine mit Taschenlampen, Karten und
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