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Durch Zeit und Raum

Durch Zeit und Raum

Titel: Durch Zeit und Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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geschlafen!« Ananda schaute sie aus Bernsteinaugen bettelnd an und winselte leise. »Also meinetwegen – aber nur hier heroben. Niemals unten! Daran wirst du dich in diesem Haus zu halten haben.«
    Ananda klopfte zustimmend mit dem Schwanz. Das Licht der Lampe spiegelte sich in ihren Augen und ließ sie wie Gold glänzen. Auch das Fell schimmerte, wie sich das für einen gesunden Hund gehörte.
    »Mach mir Platz!« Meg schlüpfte unter die Decke. Es war beruhigend, wieder wie als Kind mit einem Tier reden zu können. »Und jetzt, meine liebe Ananda, werden wir ganz fest auf Charles Wallace hören. Entweder hilfst du mir beim Kythen, oder du mußt runter vom Bett.«
    Sie streichelte über Anandas Fell, das nach Farnen und Moos und reifen Beeren roch, spürte plötzlich ein sanftes, warmes Prickeln, das sich auf ihre Hand übertrug und bis in den Arm vibrierte – und schon hatte sie ein klares Bild vor den Augen: Charles Wallace ging durch den ehemaligen Gemüsegarten der Zwillinge, der jetzt einem Hain junger Christbäume gewichen war. Die Gemüsebeete hatten die beiden umgepflügt, bevor sie auf die Universität gingen; die Tannenbäume brauchten nur wenig Pflege, dazu genügten die Ferien. Meg vermißte den Garten, aber sie sah ein, daß ihre Eltern viel zu beschäftigt waren, als daß sie sich um mehr ein paar Lauchbüschel oder Tomatenstauden kümmern konnten.
    Charles Wallace folgte dem vertrauten Weg.
    Meg hatte die Hand in Anandas Fell vergraben, spürte die prikkelnde Wärme, die zwischen ihr und dem Hund hin und her strömte, und begleitete ihren Bruder durch intensives Kythen. Als er auf die Wiese kam, in der der Sternguckerfelsen lag, ging Anandas Atem plötzlich heftiger. Meg fühlte, wie sich unter ihrer Hand der mächtige Brustkorb hob und senkte.
    Der Mond hatte sich versteckt, aber das Licht der Sterne überzuckerte silbern das Wintergras. Der Wald hinter dem Felsen war bloß ein hoher schwarzer Schatten. Charles Wallace ließ den Blick über die gezackten Umrisse der Föhren hinweg ins Tal und bis zu den darunterliegenden dunklen Höhenrücken wandern. Dann legte er den Kopf in den Nacken und rief:
    *
    » In der Stunde, die alles entscheiden kann,
    ruf ich die Mächte des Himmels an! «
    *
    Der Glanz der Sterne wurde intensiver. Charles Wallace blickte unverwandt nach oben. Er konzentrierte sich auf einen Stern, der besonders hell flimmerte. Auf einmal war da zwischen diesem Stern und Charles Wallace ein Lichtstrahl, stark und verläßlich wie eine Leiter, aber wasserklar, und strömte von einem zum anderen, so daß man nicht hätte sagen können, ob ihn das stechende Silberblau des Sternes oder die hellblauen Augen des Jungen ausgelöst hatten. Der Strahl wurde immer kräftiger und – ja: tragfähiger-, und dann sammelte und ballte sich plötzlich das Licht und entlud sich neben Charles Wallace in einer herrlich schimmernden Wolke, die allmählich Gestalt annahm, zu Fleisch und Blut wurde – und zuletzt stand da ein großes, weißes Geschöpf mit wehender Mähne und einem schimmernden Schweif. Auf der Stirn trug es ein silberfarbenes Horn, in dem der letzte Glanz dieser Brücke aus kosmischem Licht gefangen war: ein Wesen von letzter, von absoluter Vollkommenheit.
    Charles Wallace legte ihm die Hand auf die mächtige weiße Flanke, die sich wie nach einem wilden Ritt hob und senkte. Er fühlte die Wärme des Körpers und spürte das Blut in den Adern pulsen und strömen, wie zuvor das Licht zwischen ihm und dem Stern. »Bist du – bist du wirklich da?« fragte er ungläubig.
    Das Geschöpf ließ ein leises, silberhelles Wiehern hören, das sich in Charles’ Gedanken wie Worte übertrug: »Ich bin nicht wirklich da. Und doch verkörpere ich in einem gewissen Sinn die einzige Wirklichkeit.«
    »Warum bist du gekommen?« Jetzt ging auch sein Atem aus gespannter Erwartung schneller.
    »Du hast mich gerufen.«
    »Die Rune…!« flüsterte Charles Wallace. Ergriffen starrte er das unbeschreiblich herrliche Geschöpf an, das vor ihm stand. Es scharrte leise mit den Hufen, und der Stein begann wie eine helle Glocke zu tönen. »Ein Einhorn! Ein leibhaftiges Einhorn!«
    »Ja, so nennt ihr mich wohl.«
    »Bist du denn in Wahrheit etwas anderes?«
    »Bist denn du in Wahrheit ein anderer?« erwiderte es. »Du hast mich gerufen, und weil ihr in größter Bedrängnis seid, bin ich gekommen.«
    »Du weißt, welche Gefahr uns droht?«
    »Ich konnte es aus deinen Gedanken lesen.«
    »Und wie kommt es, daß du

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