Durst - Roman
und ich hatte mit Erleichterung festgestellt, dass mein Mann auch unter ihnen war. Ich hatte mich bereits eine halbe Stunde früher eingefunden, um ihn ja nicht zu verpassen. Hinter der Zeitung hervor konnte ich beobachten, wie er, ohne sich umzusehen, zwischen den Betontrögen auftauchte und das Lokal betrat. Seither waren bald drei Stunden vergangen, und mir dämmerte, dass ich, die Inserate einbegriffen, das Regionalblatt in absehbarer Zeit durchgelesen haben würde.
Ich sass bei einer weiteren Stange, den Parolen der Nachbarn schutzlos ausgesetzt, als endlich die ersten Gefolgsmänner aus der Tür kamen. Sie verabschiedeten sich, klopften Schultern und richteten Grüsse an die Frau aus. Einer wurde von der Bierrunde erkannt und setzte sich zu ihr. Nach einer Weile erschien auch mein Mann, allein, wie er gekommen war, wechselte ein paar Worte mit dem sitzenden Kollegen und verschwand.
Ich stand auf und verliess ebenfalls die Gartenbeiz, setzte mir im Gehen die mitgebrachte Dächlikappe und eine dunkle Sonnenbrille auf und folgte dem Mann in einiger Entfernung. Er ging über den Parkplatz und schlug einen schmalen Weg zwischen zwei Wohnhäusern ein. Bevor er die Bahnhofstrasse erreichen konnte, hatte ich ihn eingeholt. Er drehte sich um und sah mich erschrocken an. Ich hielt den Spielzeugrevolver meines achtjährigen Nachbarn in der Hand und drängte ihn auf einen dunklen Hauseingang zu. Gerade als wir auf der Höhe der vorgelagerten Briefkästen angelangt waren, erfasste uns ein Bewegungsmelder.
«Okay, ich werde nun den Revolver in meine Jackentasche stecken, und wir gehen zusammen weiter. Aber keine Dummheiten!»
Ich versuchte zu wirken, wie ich mir etwa Faruk in einer solchen Situation vorstellte, und versetzte dem Mann einen Stoss zwischen die Schulterblätter.
Wir überquerten die Bahnhofstrasse und kamen am geschlossenen Kebabstand vorbei zu einer langgezogenen Lagerhalle. Ich zwang den Schweizer Demokraten auf die schmale Rampe, die entlang der Hallenseite verlief, welche den Geleisen zugewandt war. Hier gab es keinen Bewegungsmelder. Ich zog den Revolver und platzierte den Mann so, dass ich ihm – mit dem Rücken zur nächsten Lichtquelle – gegenüber stand. Die Furcht stand ihm im Gesicht geschrieben.
«Ich nehme an, die Polizei hat Sie bereits einvernommen.»
Er duckte sich wie in Erwartung eines Schlags.
«Was ist!» Ich erschrak selbst ein wenig über meinen Ton.
Er sah mir ängstlich in die Augen.
«Die Polizei?» Seine Stimme krächzte wie die einer alten Frau.
«Hat die Polizei Sie nicht befragt?»
Mein Erstaunen gab ihm sein Selbstbewusstsein zurück.
«Warum sollte mich die Polizei befragen?»
«Pass auf, dann werd ich es jetzt an ihrer Stelle tun. Wo warst du am Dienstag Abend, zweiter Juni zwischen halb neun und drei Uhr?» Ich war instinktiv zum Du übergegangen.
«Dienstag, zweiter Juni zwischen –?»
«Zwischen neun und drei Uhr!»
Er zog frech die Schultern hoch und meinte: «Zu Hause, nehm ich an. Aber ich führe nicht Buch darüber.»
Ich schlug ihm mit der flachen Hand gegen die Glatze: «Werd ja nicht übermütig! Gibt es jemand, der das bezeugen kann?»
Er hielt sich die Stirn und jammerte: «Meine Frau …»
«Die, welche du aus dem Katalog hast?»
Er sah mich mit grossen Augen an.
«Oder eine, die du für deine perversen Gelüste bezahlst?»
«Was …»
Ich machte eine Pause und sagte dann: «Ich weiss auch, dass du dich mit Slavkovi ć gestritten hast!»
«Was wollen Sie?» Er zitterte am ganzen Leib.
Ich drückte ihm die Mündung des Spielzeugrevolvers an die Brust und zischte: «Slavkovi ć s Frau möchte gern wissen, wer ihren Mann auf solch bestialische Weise ermordet hat.»
Er wurde kreidebleich.
«Dein Name?»
«Was …»
«Ich will wissen, wie du heisst – zeig mir einen Ausweis!»
Er griff sich mit einer fahrigen Bewegung ans Gesäss und zog sein Portemonnaie hervor. Zitternd reichte er mir seinen Mitgliedsausweis des Jodelklubs «Ankeblüemli Ämme».
«Also Kuhn … Hast du ein Handy? Nicht? Dann werden wir jetzt unauffällig zur Post gehen. Worauf wartest du!» Ich gab ihm einen Stoss und folgte ihm.
Beim Postgebäude drängte ich ihn in eine Telefonkabine und zwang ihn, Münz einzuwerfen und seine Nummer zu wählen.
«Gib her!» Ich riss ihm den Hörer aus der Hand.
Nach dreimaligem Klingeln meldete sich eine grelle Frauenstimme.
«Guten Abend, sind Sie die Frau von Peter Kuhn?»
«Speak english, please», schrillte es.
«Are you
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