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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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unweigerlich in den Widerspruch aus Wirklichkeit und Wahn verstricke und allmählich auf den Punkt zusteuere, wo es einer Klärung in welcher Form auch immer bedürfe – und Dorothea folgte mir mit interessierter Miene und grossen Augen und nickte und führte sich nachdenklich den Finger an den Mund, während ich langsam, aber sicher den Faden verlor.
    «Das klingt aber sehr interessant, ich freu mich schon auf die Lektüre. Besonders auf die präzisen Beobachtungen und die leisen Zwischen- und Untertöne.»
    Ich lächelte nett und sah mich unauffällig nach meinen Zigaretten um. Nachdem ich mir eine angesteckt hatte, holte ich mir bei Dorothea die neusten Empfehlungen bezüglich lesenswerter Bücher ein. Ich schwor auf ihre Tipps. Bisher war ich noch nie enttäuscht worden. Überhaupt mochte ich Dorothea gut leiden. Sie war auf eine angenehme Art weltfremd und feinfühlig, wie es einem selten genug begegnete.
    Nach dem Kaffee zog sie sich mit dem neusten Hürlimann zurück, worum ich sie beneidete. Stattdessen begab ich mich mit Brechbühl in den Park, wo wir uns auf weissbemalten Steinbänken im Schatten einer riesenhaften Linde niederliessen. Er puderte sich die Nase und fragte nach dem Grund meines Besuches.
    «Ich schreibe an einer Geschichte, ich meine, an einer richtigen.»
    «Gut.»
    «Spielt in Emmenbrücke, und ich muss eine Menge recherchieren.»
    «So?»
    «Keine Fiktion, sondern knallharte Wirklichkeit.»
    «Hat doch nicht etwa mit dem enthaupteten Jugo zu tun?»
    Ich schwieg und bemerkte genüsslich, wie sich sein Ausdruck veränderte.
    «Das ist exakt, woran ich bin!», eröffnete ich. «Es geht um Drogen und Geldwäscherei und Frauenhandel. Alles, was du brauchst, um das Publikum bei Laune zu halten.»
    Ich hatte erwartet, Brechbühl würde begeistert sein, aber er meinte, nachdem er eine Weile nachdenklich vor sich hingestarrt hatte: «Sei vorsichtig. Auf so was sollte man sich besser nicht einlassen.»
    Ich war einen Moment lang sprachlos. «Du wolltest, dass ich einen Krimi schreibe, und nun, wo ich den Stoff dazu hab, rätst du mir, ich soll die Finger davon lassen?»
    Brechbühl verlangte es nach einer Zigarette. Ich hielt ihm die Schachtel hin und gab ihm Feuer.
    «Ich mach mir nur Sorgen um dich …», sagte er und blies den Rauch aus.
    «Die einzigen Sorgen, die du dir um mich machen solltest, sind finanzieller Natur. Ich hab hohe Auslagen. Einer meiner ergiebigsten Informanten ist eine Tänzerin – eine Nachtklubtänzerin.» Ich machte eine Pause und ergänzte: «Bei der gibts nichts gratis, die hat ihren Preis, auch wenn sie nur spricht. Ich brauch einen Vorschuss.»
    Ich beobachtete seine Reaktion.
    «Wie viel?»
    «Sechs sollten genügen.»
    «Sechs Ameisen?»
    «In drei Monaten hast du die Story.»
    Sobald ich den Scheck in der Tasche und die Schuldigkeit des dankbaren Gastes getan hatte, brach ich auf. Ich fuhr in die Stadt zurück und stieg bei der Kantonalbank auf den Zweier um. Mit jedem Ausländer, der den Bus betrat, wuchs die Gewissheit, dass die Distanz, die zwischen dem Fremdenverkehrsprospekt und der Wirklichkeit lag, stetig grösser wurde. Nachdem wir den Seetalplatz passiert hatten, stieg ich aus. Ich machte einen Abstecher zur Emme und liess den Anblick der Industrie auf mich wirken. Allmählich stellte sich das Bewusstsein wieder ein, ein realer Mensch in einer realen Welt zu sein.
    Ich wartete jetzt schon seit mehr als zwei Stunden. Ich hatte Kaffee und Mineral getrunken und war zu Bier übergegangen, aber er liess sich noch immer nicht blicken. Ich hatte fast jeden Artikel der « NLZ » durchgelesen und war geneigt, mich der «Region» zuzuwenden, nur um der Unterhaltung meiner Tischnachbarn nicht folgen zu müssen. Ich verfluchte mich, dass ich kein Buch von zu Hause mitgenommen hatte.
    Was die wohl so lange zu besprechen hatten? Womöglich war das Parteiprogramm der Schweizer Demokraten umfangreicher, als ich mir das vorgestellt hatte. Ich sog an meiner Zigarette und ignorierte die Sprüche der lustigen Runde von biertrinkenden Männern und wacker keifenden Frauen.
    In der Gartenbeiz des «Emmenbaums» war mittlerweile die Aussenbeleuchtung eingeschaltet worden. Man sass auf Plastikstühlen an mit Wachstüchern bezogenen Plastiktischen und war von der Strasse durch zerzaustes Nadelgehölz abgeschirmt, das aus grossen Kisten aus Waschbeton wuchs.
    Jeden Montagabend trafen sich die Männer der Schweizer Demokraten in einem Hinterzimmer des traditionsreichen Restaurants,

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