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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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Detektiv, ich hab mich nur als solchen ausgegeben, weil ich einen Krimi schreiben will. Das ist die ganze Wahrheit. Und jetzt müssen Sie mich entschuldigen.»
    Ich nutzte den Moment ihrer Verblüffung, verabschiedete mich und legte auf. Ein Blick auf die Digitalanzeige meines Weckers bekräftigte mich in meinem Bedürfnis nach Schlaf. Ich drehte mich auf die Seite, zog die Decke bis übers linke Ohr und schloss die Augen. Kaum hatte ich den Schwebezustand des Schlafes erreicht, als das Telefon erneut klingelte. Ächzend griff ich den Hörer.
    «Du bist schon auf?»
    «Adnan …»
    «Ein neuer Rekord! Ich glaub, ich hab dich noch nie vor neun erwischt.»
    «Dochdoch, wenn du hartnäckig genug warst …»
    «Wie stehts um deine Ermittlungen?»
    «Adnan … Du hast mich geweckt!»
    «Und?»
    «Was und?»
    «Die Ermittlungen, der Mordfall Slavkovi ć !»
    «Gut. Ich hab eine heisse Spur.»
    «Soso?»
    «Womöglich hab ich den Mörder spätestens heut Abend.»
    «Sooo?»
    «Was soll dieses ironische Sooo?»
    Adnan kicherte in die Sprechmuschel wie in tiefsten Pubertätszeiten. Ich tat, was sich schon damals bewährt hatte: abwarten, bis er von allein damit aufhörte.
    «Bist du noch dran?»
    «Selbstverständlich …»
    Adnan räusperte sich. «Sorry, ich wollte mich nicht über dich lustig machen …»
    «Du hast dich nicht über mich lustig gemacht.»
    Es entstand eine künstliche Pause.
    «Hast du die Zeitung schon gelesen, natürlich nicht. Vielleicht solltest du die Zeitung lesen – gleich anschliessend.»
    Ich stand auf und ging in die Küche. «Lass die Geheimnistuerei!»
    «Ich weiss nicht … Dass ich der Erste sein muss …»
    «Wozu denn sonst rufst du mich morgens um acht an?»
    «Es ist gleich viertel vor neun.»
    «Was – steht – in der Zeitung?!»
    «Sie haben ihn geschnappt.»
    «Was?! Wen?!»
    «Die Polizei.»
    «Nicht wer. Wen haben sie geschnappt?!»
    «Hier steht: ein Kosovo-Albaner. Er ist geständig.»
    «Ein Kosovo-Albaner? Verdammt, Adnan, du solltest nicht so früh am Morgen Zeitung lesen! Verfluchte Scheisse nochmal.»
    «Siehst du, jetzt bist du wütend auf mich.»
    «Vergiss es … Scheissescheisse.»
    «Mmh.»
    «Das ist ein schwerer Schlag für mich! Kannst du das verstehen?»
    «Ja, natürlich!»
    «Also, ich meld mich. Gehen wir wieder mal eins trinken.»
    Ich legte auf und verharrte eine Zeit lang regungslos in derselben Stellung: gebückt, die Beine übereinandergeschlagen, nur mit der Unterhose bekleidet. Als ich nach meiner Zigarettenschachtel getastet und die ersten Züge inhalierte hatte, registrierte ich, dass es über Nacht abgekühlt hatte. Ich stand schwerfällig auf und trank ein Glas Leitungswasser. Dann ging ich mich anziehen.
    Ich zwang mich zu frühstücken und dabei ein Kapitel aus «Wilde Schafsjagd» zu lesen. Nach den ersten zwei Seiten, die ich mechanisch überlesen hatte, gab ich es auf. Ich stieg die Treppe hinunter und zog die Zeitung aus dem Briefkastenschlitz. Wieder in der Küche, machte ich zuerst Kaffee.
    Adnan hatte keinen schlechten Scherz gemacht. «Mord in Emmenbrücke aufgeklärt» – so die Überschrift des Artikels. «Wie die Polizei vermutet hatte, handelt es sich um eine ethnisch motivierte Abrechnung zwischen zwei verfeindeten Volksgruppen. Der mutmassliche Täter befindet sich in Untersuchungshaft und ist nach Angaben der Strafuntersuchungsbehörde geständig.»
    Mir war, als würde ich den Boden unter den Füssen verlieren. Ich war auf der komplett falschen Fährte gewesen. Im Gegensatz zur Polizei, die die Spur des Mörders unmittelbar nach der Tat aufgenommen haben musste. Das erklärte auch, warum sie davon abgesehen hatte, die Tänzerinnen, Kuhn oder den Wirt des «Sportcentars» zu befragen … Nicht genug damit, dass ich mit meinen Verdächtigungen gegen Kuhn falsch lag – ich musste es darüber hinaus wie irgendein Unbeteiligter aus der Zeitung erfahren.
    Milchkaffeebraune Fluten in der Emme. Über dem Entlebuch waren letzte Nacht schwere Gewitter niedergegangen, davon zeugten mitgerissene Baumstämme samt Wurzelwerk. Der übliche Lärm, der aus der Schrotthalle drang, ging im Tosen des zu Unrecht «Kleine Emme» genannten Flusses unter. Um meiner Frustration zu begegnen, hatte ich beschlossen, mich Frau Slavkovi ć zu stellen.
    Mit den Niederschlägen war ein Kälteeinbruch einhergegangen, der mir eine Verschnaufpause in der Sommerhitze gewährte. Nach Tagen konnte ich endlich wieder mal – ohne dass mir deswegen der Schweiss ausbrach

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