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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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Flipperkästen und Flimmerkisten ausgelagert; denn hier zur Kakofonie billiger Computerklänge und dröhnender Melodienfetzen, zum Knallen der schweren Stahlkugeln konnten wir die Schule und andere Sorgen für eine Weile vergessen.
    Manchmal spielten wir an einem Flipperkasten, oder jemand liess einen Einfränkler im Schlitz des Spielautomaten verschwinden. Meistens standen wir einfach nur rum, rauchten oder hielten mit Yvonne einen Schwatz.
    Yvonne war so etwas wie eine Mutter für jene Zeit, in der man eigentlich keine Mutter haben möchte. Sie freute sich, wenn wir kamen, interessierte sich für einen, offerierte Kaffee in Plastikbechern oder gab einem mehr oder weniger nützliche Ratschläge für den Umgang mit Mädchen. Gelegentlich erzählte sie von ihrem Sohn. Verglichen mit ihm führte jeder von uns das Leben eines Musterknaben. Irgendwie war das ein tröstlicher Gedanke, wenn man gerade ins Provisorium gefallen war oder Krach mit den Eltern hatte.
    «Du hast dich verändert – ja, du bist dicker geworden.»
    «So?»
    «Du bist immer noch dünn, aber nicht mehr ganz so dünn.»
    «Nun ja …»
    «Wie gehts dir? Trinkst du einen Kaffee mit mir?»
    Wir hatten uns schon seit Jahren nicht mehr gesehen und einiges zu erzählen. Yvonnes Sohn hatte sich erfolgreich einer Entziehungskur unterzogen und machte nun eine Lehre als Landschaftsgärtner. Er habe eine liebe Freundin gefunden und endlich auch den Rank im Leben. Ich freute mich mit Yvonne, die, wie sie zuweilen durchblicken liess, von Schicksalsschlägen nicht verschont geblieben war.
    Sie fragte, wovon ich denn lebte, wenn sich meine Bücher so schlecht verkauften. Ich antwortete wahrheitsgemäss, ich hätte zurzeit einen lukrativen Nebenverdienst.
    Während Yvonne einem Kunden Münz wechselte, sah ich mich im Lokal um. Die Computerspiele waren alle jüngeren Datums, und der Töggelikasten hatte einem Billardtisch weichen müssen; nur der Spielautomat und die Flipperkästen waren noch die alten. Ich fütterte den «Adams Family» mit einem Einfränkler und gewann auf Anhieb ein Freispiel. Um meine Lernfähigkeit war es wohl doch nicht so schlecht bestellt, wie das der Französischlehrer einmal behauptet hatte.
    Ich wollte mich gerade verabschieden, als Yvonne fragte, weshalb der Mann mir den Brief nicht einfach per Post zustellte.
    «Er darf nicht wissen, wer ich bin. Ist eine Überraschung …»
    Yvonne lächelte und versprach, mich unverzüglich zu benachrichtigen. Ich dürfe sie aber auch sonst wieder mal besuchen kommen.
    Als ich kurz darauf am Postgebäude vorbeiging, musste ich daran denken, dass meine Mutter von mir seit Wochen kein Lebenszeichen mehr erhalten hatte. Ich kaufte beim Kiosk eine Ansichtskarte der Kirche Santa Maria und versah sie mit einigen netten Sätzen. Dann ging ich den besten Kebab westlich von Istanbul essen.
    Ich hatte unruhig geschlafen und griff den Hörer nach dem dritten Klingeln.
    «Ja?»
    «Herr Arnold?»
    «Was …?»
    «Ich frage, ob ich mit Herrn Arnold verbunden bin!»
    Die Stimme kam mir bekannt vor.
    «Ah ja … natürlich! Und Sie?»
    «Wir haben vor geraumer Zeit miteinander konversiert. Wegen unserer Haushaltshilfe …»
    «Die Vasendiebin …»
    «Wie bitte?»
    «Die Brasilianerin, die Spaghetti und Vasen stiehlt.»
    «Sie ist aus Kolumbien! Von den Spaghetti soll hier im Übrigen nicht die Rede sein. Ich spreche von der Vase meines Gemahls. Sie ist äusserst selten!»
    «Mmh …»
    «Sie haben mich damals auf später vertröstet.»
    Ich unterdrückte ein Gähnen. «Ich dachte, Sie würden sich an einen Kollegen wenden.»
    «Hab ich auch …»
    «Und?»
    Sie räusperte sich. «Wir sind uns nicht einig geworden.»
    «Wegen der Bezahlung?»
    «Wegen der Vorgehensweise. Hören Sie, das sollte doch nicht so eine Sache sein! Sie statten der Person einen Besuch ab, sehen sich in der Wohnung ein wenig um; und wenn Sie fündig werden, lenken Sie sie ab und verschwinden mit der Vase, bevor sie etwas bemerken kann. Sie waren doch bei der Polizei tätig?»
    «Ich?»
    «Bevor Sie unter die Freischaffenden gingen. Das haben Sie bei unserer ersten Konversation erwähnt.»
    «Ah ja, ich erinnere mich.»
    «Item: Sie besorgen sich eine Uniform, kleiden sich ein und gehen bei der Person auf Besuch. Sie werden leichtes Spiel haben!»
    «Ich bin müde.»
    «Pardon?»
    «Ich bin müde und möchte noch ein wenig schlafen.»
    «Ist das Ihre Art, mit Kundschaft umzugehen?!»
    «Ja … Vielleicht … Wissen Sie, ich bin gar kein

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