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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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beiden Arten verhindern kann. Das wäre hier der Fall.»
    Faruks Neigung, weltanschauliche Fragen kurzerhand in pragmatische Formeln zu fassen, ging mir auf die Nerven. Es stellten sich allmählich ernsthafte Entzugserscheinungen ein – das Gefühl etwa, nicht mehr klar denken zu können. Gleichwohl stand für mich ausser Frage, weiterhin bei meinen sanften Ermittlungsmethoden zu bleiben.
    «Ich komm vielleicht darauf zurück. Doch damit das klar ist: In dieser Sache trage ich die Verantwortung. Ich bestimme, welche Mittel angewandt werden und welche nicht. Meine Bereitschaft, mit dir zusammenzuarbeiten, ist an diese Bedingung geknüpft.»
    Wir verblieben so, dass ich Faruk laufend über den Stand meiner Ermittlungen unterrichtete, während er sich in seinen Kreisen umhören und versuchen sollte, etwas über Furrer und sein Vorgehen als Drogenfahnder in Erfahrung zu bringen.
    Wir gingen in entgegengesetzter Richtung auseinander. Noch bevor ich zum alten Hauptportal kam, hatte ich mir eine Zigarette angesteckt. Die Nacht war lau und schön und machte einen harmlosen Eindruck. Darin aber sollte ich mich getäuscht haben.
    Beim ersten Schuss fuhr ich zusammen. Dann blieb ich erstarrt stehen und begann zu zählen: zwei – drei – vier … Als der letzte Schuss verhallt war, drehte ich mich um und hastete zurück durchs Hauptportal. Ich erreichte die Treppe, auf der wir zuvor gesessen hatten. Eine Gestalt lief in Richtung Westausgang davon. Ich stürmte die Treppen hinunter, direkt auf den im Kies hingestreckten Körper zu.
    «Faruk – sag etwas! Faruk – hörst du mich?!»
    Ich kniete mich neben den verdreht am Boden liegenden Hünen. Sein T -Shirt unter dem Ledermantel glänzte nass und klebte ihm an der Brust, aus seinem Mund rann Blut. Er atmete schwer und sah mich mit aufgerissenen Augen an.
    «Faruk, kannst du mich hören?!»
    Er bewegte die Lippen und stammelte Unverständliches. Ich hielt mein Ohr dicht an seinen Mund.
    «Ich … glaube … ich sterbe …»
    «Nein, du musst durchhalten. Ich werde einen Krankenwagen rufen!»
    Ich war in die Höhe geschnellt. «Beweg dich nicht. Ich bin gleich zurück.»
    Irgendwie trugen mich meine flattrigen Beine über den Kiesweg zu den Telefonkabinen, die sich in der Nähe der Aufbahrungshalle befanden. Ich stellte die Notrufnummer ein und forderte einen Krankenwagen an. «Ich bin beim Verletzten und werde Sie heranwinken, wenn Sie kommen. Beeilen Sie sich!»
    Mein Mund war trocken wie das Flussbett der Emme auf der Länge des Kanals, wenn es einige Tage nicht geregnet hat.
    Als ich zum Tatort zurückkam, war Faruk nicht mehr da. Am gegenüberliegenden Ausgang erblickte ich zwei Männer, die Faruk – bei den Achseln untergefasst – mit sich schleiften. Ich begann ihnen nachzurennen. Sie bemerkten mich und gingen schneller. Als ich durchs Tor auf den Parkplatz stürmte, konnte ich nur noch mit ansehen, wie ein roter Wagen vom Parkplatz auf die Haldenstrasse fuhr, während die hinteren Türen zugezogen wurden.
    Die folgenden Stunden liess ich wie in Trance über mich ergehen. Ich versuchte den Polizisten präzise Antworten auf ihre ungeduldig vorgetragenen Fragen zu geben. Als ich ihnen die Stelle zeigte, wo Faruk am Boden gelegen hatte und sein gerinnendes Blut die Kieselsteine band, schlugen sie einen Ton an, der meiner Verstörtheit angemessen war.
    Während die Spezialisten mit der Spurensicherung begannen, wurde ich auf den Posten gefahren. Dort machte ich dem Protokollführer Angaben zu meiner Identität und schilderte den Vorfall auf dem Friedhof. Ich hielt es für besser zu verschweigen, dass ich den Sterbenden gekannt hatte, und beschrieb, wie ich auf meinem Spaziergang Schüsse gehört und den Schwerverwundeten entdeckt hatte. Einige Aussagen musste ich wiederholen, da der mitschreibende Polizist lediglich über eine sehr langsame Variante des Zweifingersystems verfügte.
    «Um welche Zeit, sagten Sie, haben Sie den Schwerverwundeten entdeckt?»
    «Circa viertel vor Zwölf, vier-tel-vor-zwölf.»
    Seine gekrümmten Zeigfinger kreisten über der Tastatur und setzten wie müde Raubvögel zum Sturzflug an.
    Was ich denn um diese Zeit auf dem Friedhofgelände machte.
    «Sagte ich Ihnen bereits: Ich war auf dem Heimweg.»
    Wieder kreisten die Zeigfinger.
    «Wo waren Sie denn zuvor?»
    «Ich hab einen Spaziergang gemacht …»
    «Um diese Zeit?»
    Ich heftete den Blick einige Zentimeter über dem Bürstenschnitt an die Wand.
    «Ich arbeite in der Nacht, wie ich Ihnen

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