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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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leid.»
    «Ich entschuldige mich.»
    «Nichts für ungut.»
    Er hatte aufgelegt. Ich wunderte mich über die kurzen Intervalle des Zählergeräusches. Ich hatte doch unmöglich die Nummer der Staatsanwaltschaft mit einer Handynummer verwechseln können.
    Ich ging den Briefkasten leeren: Zeitung, Rechnungen, die scheussliche Ansichtskarte einer Bekannten aus irgendeinem exotischen Badeort. Als ich in der Küche die Zeitung ausfaltete, fiel ein Couvert zu Boden. Es hatte die Grösse c6, eine Anschrift fehlte. Ich nahm das Brotmesser und schlitzte das Couvert auf. Auf einem gehäuselten Stück Papier stand geschrieben: «Heute Abend neun Uhr in der Zentrale», Unterschrift: «Faruk».
    War es eine Falle? Egal, ich steckte schon zu tief in der Sache. Die letzten Stunden hatte ich wie im Traum erlebt. Dinge liefen ab, ohne dass ich massgeblich hätte Einfluss nehmen können. Ich konnte zuschauen und bestenfalls reagieren. Kurz nach neun stieg ich zu Ibrahim ins Taxi.
    Er empfing mich mit festem Händedruck. «Wohin solle dich bringe?»
    Ich sah mich um.
    «Fahr mal da vorne links – ja genau.»
    Er bog in die Rüeggisingerstrasse ein.
    «Kannst du sicherstellen, dass wir nicht verfolgt werden?»
    Ibrahim warf einen Blick in den Rückspiegel. «Hast wieder Ärger mit die Russen?»
    «Mit den Russen?»
    «War doch russische Geschäft, russische Schrift auf Fenster!»
    Ein silbergrauer Geländewagen folgte uns. Nach dem Verwaltungsgebäude veranlasste ich Ibrahim, zum Sonnenplatz hinauf zu fahren. Der dicke Opel walzte geradeaus weiter.
    «Und jetzt?»
    «Da rauf – zur Sprengi.»
    Am Sprengiplatz spurte Ibrahim in die Erlenstrasse ein – eine lange Gerade in südwestliche Richtung. Nach einer Weile lenkte er den Wagen unter meiner Anleitung über verschiedene Nebenstrassen von der Ober-Emmenweid zum Industrieareal hinunter. Niemand war uns gefolgt. Ibrahim fuhr langsam die Auffahrt zum Gewerbegebäude hinauf und stellte den Motor ab.
    Ich zahlte und sagte: «Warte hier fünf Minuten. Wenn ich bis dann nicht wieder rauskomme …» Ich wusste nicht, was er dann tun sollte.
    «Dann komme ich mit Werkzeug wie letzte Mal!», lachte er.
    Ich rauchte eine Zigarette an.
    «Hast du eine Waffe?»
    Ibrahim grinste noch immer und griff mit der rechten Hand ins Handschuhfach. Eine schwarze Pistole kam zum Vorschein. Sie sah jener, mit der uns Slavkovi ć s Mitarbeiter bedroht hatte, zum Verwechseln ähnlich.
    «Gut … Also, bis nachher.»
    Ich stieg die Treppe hinauf, öffnete die Tür und ging durch die Dunkelheit auf den Lichtstreifen zu. Unter meinen Schritten ächzten die Holzdielen. In der Zentrale selbst war es still.
    Ich drückte die Klinke herunter und stiess die Tür auf.
    Auf dem Sofa sassen, erwartungsvoll in meine Richtung blickend, Petar und – Faruk. Für Sekunden rührte sich niemand. Dann brachen beide in Gelächter aus.
    Ich starrte Faruk an. Er stand auf und kam auf mich zu. Er schien unversehrt zu sein.
    «Ich hatte Glück …»
    «Was …»
    «Setz dich. Ich bring dir ein Bier und erklär dir alles der Reihe nach.»
    «Moment … Du bist gar nicht tot?»
    Wieder begann Petar lauthals zu lachen.
    «Halt die Schnauze!», fuhr ihn Faruk an. «Siehst du nicht, dass er einen Schock hat?!»
    Mit stechendem Schmerz an Zeige- und Mittelfinger rief sich meine brennende Zigarette in Erinnerung. Ich liess die Kippe fallen und zertrat sie. Dann drehte ich mich um und verliess den Raum.
    «Wohin willst du gehen?», hörte ich Faruk rufen.
    «Bin gleich zurück …»
    Ich gab Ibrahim zu verstehen, dass alles in Ordnung sei. Während er den Wagen wendete, machte ich einige tiefe Atemzüge. Dann schrie ich blödsinnig ein paar Mal in die schwermetallgeschwängerte Dämmerung hinaus.
    Ich ging zurück und setzte mich in Faruks schwarzen Ledersessel. «Und, wo bleibt das Bier?»
    Faruk lächelte und kam meiner Aufforderung nach.
    Ich öffnete die Flasche, trank und setzte sie erst wieder ab, nachdem ich sie zur Hälfte geleert hatte. Dann hörte ich mir Faruks Ausführungen an: Vor einigen Tagen habe Petar einen Anruf erhalten – von demselben Mann, der die Einschüchterung gegen mich angeordnet habe. Einem gewissen Kosovo-Albaner müsse ein Denkzettel verpasst werden. Der Mann heisse Faruk Tahiri und treffe sich regelmässig mit erstgenannter Person, die sich als Privatdetektiv ausgebe.
    «Petar hat mich umgehend informiert. Wir haben beschlossen, einen Mord vorzutäuschen. Es war jedoch nötig, dich vorerst in Unkenntnis zu

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