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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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bereits erklärt habe – Spaziergänge sollen bekanntlich entspannen und den Kopf frei machen …»
    «Können Sie von Ihrer Schreiberei denn leben?»
    Ich ignorierte die Bullenvisage und schnauzte: «Was tut das hier zur Sache.»
    «Mehr als Sie denken vielleicht. Beantworten Sie meine Frage!»
    «Ich kann davon leben, manchmal ists auch mehr ein Überleben.»
    Ich bot ihm an, die Tastatur zu bedienen, dann kämen wir schneller voran. Er ging über die Bemerkung mit professioneller Beamtenignoranz hinweg und bemühte sich von da an, noch eine Spur langsamer zu schreiben.
    Als ich das Gebäude endlich verlassen durfte, war es etwas nach zwei Uhr. Allmählich dämmerte mir: Was in dieser Nacht geschehen war, würde mich mein Leben lang verfolgen.
    Zu Hause trank ich einige Flaschen Bier. Danach musste ich mich übergeben. Wie ich aus dem Badzimmer kam, stiess ich beinahe mit Rosalia zusammen. Ich zwang mich, starr zu blicken, damit ihre Konturen nicht dauernd verschwammen. Sie trug ein kurzes Nachthemd und einen besorgten Gesichtsausdruck zur Schau.
    Ob es mir nicht gut ginge?
    «No problem, no problem», lallte ich und drängte an ihr vorbei in die Küche. In diesem Zustand war mir nun wirklich nicht nach Gesellschaft zumute.
    Am Küchentisch sitzend spannte ich meinen schweren Kopf in den Schraubstock meiner Fäuste ein und starrte auf die Dächer der alten Viscose. Keine Ahnung, wie lange ich so dagesessen hatte. Als es über den Eisenwerken zu dämmern begann, entliess ich mich aus der Stellung und steckte mir eine Zigarette an.
    Die Vorhut des Morgenverkehrs sickerte ins Netz der umliegenden Strassen. Ich rauchte und bemerkte, wie ein Gedanke über den leeren Horizont meines Bewusstseins zog. Zuerst glaubte ich, es sei nur eine der vielen Nebelschwaden, die Ausdünstung des Alkohols in meinem Blut. Aber dann sah ich, dass er klar und deutlich war wie der Schwarm Rabenkrähen, der dem blassen Himmel eine Koordinate gab: jetzt – erst recht!
    Adnan hatte keine guten Nachrichten für mich. Die Sichtung der Festplatte hatte eine Stange Geld gekostet und nicht mehr zu Tage gebracht, als uns bereits die Bildschirme in Slavkovi ć s Büro verraten hatten. Ich sagte, er solle mir die Rechnung zustellen, und versicherte ihm, dass er mich nicht geweckt hatte. Ich glaube, es war das erste Mal, dass er sich deswegen entschuldigen wollte.
    Nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte, schlug ich das schwarze Notizheft auf und ergänzte die Eintragungen um die neuen Erkenntnisse und den Vorfall der Nacht.
    Ich wählte die Nummer der Staatsanwaltschaft und wartete eine Anzahl Klingeltöne ab. Im Wohnzimmer begann sich Rosalia zu regen. Ich schlug im Telefonbuch die Öffnungszeiten der Post nach, steckte das Heft in meine Jackentasche und stahl mich aus der Wohnung.
    Auf dem Weg zur Post kehrte ich im Café Cappuccino ein, ertränkte zwei Croissants und vervollständigte ein zur Hälfte gelöstes Kreuzworträtsel in der «Schweizer Illustrierten».
    Ich betrat das Postgebäude zusammen mit einem nervösen jungen Mann, der sich am Schalter über die fünfminütige Verspätung beschwerte. Indes vertraute ich mein Notizheft dem Kopiergerät an, vergewisserte mich, dass die Bundstege nicht verwischt waren und nummerierte die Blätter. Ich faltete sie, steckte sie in ein C5-Couvert und beschriftete es mit «Erst am 28. Juli öffnen» – Adnans Geburtstag. Das Couvert zwängte ich in ein weiteres der Grösse C5 und versah es mit Adnans Adresse und meinem Absender. Ich reichte ihn der Frau am Schalter zum Einschreiben, nahm die Quittung entgegen und versorgte sie im Portemonnaie. Dann ging ich nach Hause und schlief bis drei Uhr durch.
    Ich erwachte hungrig. Während ich Brot mit Käse ass und einen Krug Wasser trank, kämpfte ich gegen die Erinnerung an. Es war aussichtslos. Das Bild, wie Faruk sonderbar verdreht am Boden lag, hatte sich mir unauslöschlich eingeprägt.
    Meine morgendliche Absicht, die Staatsanwaltschaft anzurufen, schrieb ich meinem alkoholisierten Zustand zu. Ich drückte dennoch, nachdem ich das Geschirr in den Abwaschtrog gestellt hatte, die Wiederholungstaste. Ich wollte gerade auflegen, als sich eine Männerstimme meldete.
    «Anita, bist du es?»
    «Hallo?»
    «Wer ist da?»
    «Das frage ich Sie – bin ich nicht mit der Staatsanwaltschaft verbunden?»
    Für einen Augenblick blieb es still in der Leitung, bis auf das gehäuft auftretende Klicken des Zählers.
    «Sie müssen sich verwählt haben, tut mir

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