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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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durchgestreckten Fingern und zog vorsichtig daran. Dann blies sie den Rauch schnell wieder aus. «Zur Vorgeschichte nur noch das: Ich hab nach der Matura einige Semester Publizistik und Germanistik studiert und bei verschiedenen Regionalzeitungen gearbeitet. Seit gut einem Jahr schreibe ich für die Wochenendbeilage einer grossen Tageszeitung.»
    Ich wollte wissen welche. Sie verriet es mir und erzählte weiter.
    Vor einigen Monaten habe ein Kollege während einer Redaktionsitzung den Vorschlag gemacht, eine Reportage über den Niedergang der einst so schillernden Welt der Cabarets zu bringen. Alle hätten das eine gute Idee gefunden, und weil sie schon ihre Maturaarbeit über den Frauenhandel geschrieben habe, hätte sie unbedingt mitmachen wollen.
    Wie ich ja gesehen habe, entsprächen diese Orte heutzutage bestenfalls Stripteaselokalen mit der Möglichkeit, eine Frau für ein späteres Date kennenzulernen. Aber noch viel öfter seien diese sogenannten Cabarets einfach mehr oder weniger gut getarnte Bordelle.
    Sie führte die Zigarette behutsam an ihre gespitzten Lippen, zog dann aber doch nicht daran.
    Um sich nebst den zusammengetragenen Informationen einen eigenen Einblick zu verschaffen, habe sie vorgeschlagen, sich ins Milieu einschleusen zu lassen. Sie sei der Meinung gewesen, es reiche nicht, nur mit Informationen aus zweiter und dritter Hand zu arbeiten. Natürlich habe sie gezweifelt, ob sie das überhaupt durchstehen würde. Aber schliesslich hätte sie ja jederzeit aussteigen können.
    Am Anfang sei es schwer gewesen. Sie habe sich zwar gut vorbereitet und ziemlich genau gewusst, was sie erwarte. Aber es sei halt schon was anderes, das alles am eigenen Leib zu erfahren. Die Typen der Agentur, der Vertrag, die Nacktfotos; die Erkenntnis, als Ware – und als nicht mal besonders wertvolle – wahrgenommen zu werden.
    Mit dem Cabaret selbst habe sie Glück gehabt – das heisse mit der erwähnten Geschäftsführerin. Was sie mir von ihr erzählt habe, sei alles wahr.
    Ich erwiderte ihren Blick.
    Sie sei also, fuhr Anita fort, als Nachtklubtänzerin in der Lage gewesen, einen Blick hinter die Kulissen zu tun, habe viel über die Hierarchie im Betrieb, auch über jene unter den Tänzerinnen erfahren. Sie habe die Kundschaft kennengelernt und ihre Motive, einen solchen Ort aufzusuchen. Aber in erster Linie habe sie sich für die Geschichten der «Mädchen» interessiert.
    Meine Zigarette war inzwischen im Aschenbecher entsorgt, während sie ihre immer noch zwischen den zierlichen Fingern hielt.
    Viele dieser blutjungen Frauen hätten Haarsträubendes erlebt. Nicht wenige seien in ihrer Kindheit sexuell missbraucht worden – oft aus wirtschaftlicher Not. Es seien Fälle bekannt von zwölfjährigen Mädchen, die von Familienangehörigen an Touristen verkauft werden – für kaum mehr als ein Butterbrot. Da ginge es den Frauen in den Nachtklubs besser. Sie verdienten – für ihre Verhältnisse – überdurchschnittlich gut, bewegten sich in einem geschützten Rahmen, hätten gewisse Rechte und Sicherheiten.
    Sie machte eine Pause und sagte dann: «Aber das interessiert dich ja alles nicht …»
    «Was … Wieso sollte mich das nicht interessieren?»
    «Weil du ja nur hinter deiner Slavkovi ć -Story her bist!»
    Ich fand, dass ich darauf nicht einzugehen hatte. Anita betrachtete mich mit prüfendem Blick. Nachdem sie erkannt hatte, dass ich mich davon nicht beeindrucken liess, fuhr sie fort: «Eigentlich wollte ich die ‹Feldforschung› aufgrund der ausreichenden Eindrücke gerade beenden, als Slavkovi ć ermordet wurde. Die Redaktion bat mich, noch eine Weile weiterzumachen.»
    Sie nahm wieder einen Zug von der Zigarette und zuckte mit der Hand zurück.
    «Dann bist du aufgetaucht. Ich hab mir natürlich gleich gedacht, ich könnte mit deiner Hilfe mehr über die Hintergründe erfahren. Deswegen hab ich mich auch kurz danach mit dir verabredet; ohne aber etwas Neues herauszufinden.»
    Sie zog ein letztes Mal an der Zigarette und knickte sie dann in den Aschenbecher. Während sie weitererzählte, barg ich mit spitzen Fingern den qualmenden Stummel und erstickte die Glut.
    «Ich war der Meinung, man müsse dich einweihen und um Zusammenarbeit bitten; aber die Redaktion meinte, ein Privatdetektiv würde sich wohl kaum in die Karten blicken lassen – von einer Journalistin erst recht nicht.»
    «Da hatten sie allerdings recht …»
    «Siehst du. Wir konnten uns also nicht einigen, wies weitergehen soll, als

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