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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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Kühlschrank und reichte zwei frische Biere.
    Wir prosteten einander zu und tranken. Nach einigen Minuten, in denen wir einfach nur so dagesessen hatten, stand Faruk auf und ging zu der fleckig weissen Kommode. Er kam mit einer länglichen Holzschachtel zurück.
    «Spielen wir!»
    In der Schachtel befanden sich Dominosteine. Als Kind hatte ich damit fragile Türme gebaut. Und – natürlich – sie aufrecht zu enggeschlossenen Reihen quer durchs Zimmer gefügt, damit sie dann in Fortsetzung einer einzigen Bewegung umfielen.
    Faruk erklärte mir die Regeln. Ich stellte mich nicht einmal so ungeschickt an – und hatte dennoch nicht die geringste Chance. Beim vierten Bier hatte ich genug.
    Wir gingen nach draussen, sahen dem monströsen Schlackenfahrzeug nach, das eben von der Giesserei kam, und pinkelten durch das Geländer auf die Verbauungsmauer der Emme. Dann warteten wir, bis das Gefährt in irgendeine Mulde des Hügels seine Fracht entleerte, und die nächtliche Umgebung für Sekunden im orangen Widerschein erstrahlte.
    Ich erwachte auf dem Sofa in Petars Wohnzimmer. Ein widerlicher Geschmack im Mund erinnerte mich an das nächtliche Zechgelage. Ansonsten war ich, soweit ich das liegend erkennen konnte, unversehrt. Ich starrte eine Weile zur Decke, bis mir das einfältige Muster der quadratischen Gipsplatten auf die Nerven ging. Ich setzte mich auf und schnürte meine Converse.
    Nachdem ich zwei Gläser Mineral getrunken und mein Gesicht in kaltes Wasser getaucht hatte, ging ich in die Zentrale hinüber. Das Sofa, auf dem sich gestern Faruk ausgestreckt hatte, war leer. Ich steckte mir eine Zigarette an und ging durch den dunklen Vorraum nach draussen.
    Die Sonne griff mich frontal an. Ich kniff die Augen zusammen und ging die Gitterrosttreppe hinunter in den Schatten des Gebäudes. Der Himmel war wolkenlos und wies diese belanglose Sommerbläue auf. Ich scharrte mit den Schuhen ein wenig im Schotter. Von fern vernahm ich das Grollen der Kampfjets.
    Wieder im Wohnzimmer durchstöberte ich die Schränke nach Essbarem. Ich fand eine offene Packung Müesli. Ich brachte in einer kleinen Pfanne Wasser zum Sieden, stellte Müesli, Milch, Kaffeepulver und das erforderliche Geschirr auf den Tisch.
    Während ich pampige Getreideflocken löffelte und dazu Instantkaffee schlürfte, blätterte ich im Kassenbuchordner, der die Transaktionsbelege der Monate April und Mai enthielt. Je länger ich die Zahlen studierte, desto mehr zweifelte ich sie an. Wie sollten diese Kleinverdiener – was sie in der Regel doch waren – in der Lage sein, ihren Verwandten Monat für Monat diese konstanten Geldbeträge zu überweisen? Es war anzunehmen, dass zumindest ein Teil dieser hier belegten Überweisungen ebenso wenig stattgefunden hatte wie Faruks Maitransfer. Slavkovi ć verfügte über die Kopien der Pässe – und eine Unterschrift nach Vorlage zu fälschen war nun wirklich keine Kunst, wie ich in Erinnerung meines Absenzenheftes an der Kantonsschule bestätigen konnte.
    Ich hatte eben einen zweiten Kaffee angemacht und mich wieder über den Ordner gebeugt, als Anita den Raum betrat. Sie kam aus Petars Zimmer und huschte ins Bad. Es verging eine geraume Weile – während der ich die Spülung hörte, das Prasseln aus der Dusche und eine hinhaltende Stille –, bis sie wieder herauskam und sich zu mir an den Tisch setzte, hübsch zurechtgemacht, lächelnd. Ich schob ihr die Müeslipackung hin und versuchte, meine Gedanken zusammenzuhalten.
    Es war mir unangenehm, wie sie mich anschaute. Als ob sie fragen wollte: Und? Was sagst du dazu?
    Was sollte ich dazu sagen. Das war, was auf der Welt ohne Unterlass geschah. Es war das Natürlichste und Naheliegende. Ich war nicht gekränkt, falls sie das erwartet hatte; und falls doch, dann nur ein bisschen.
    Ich verglich immer noch die Unterschriften eines Kunden, der regelmässig tausend Franken und mehr überwiesen hatte.
    «Und, ists interessant?»
    Ich hob langsam den Kopf und erwiderte ihren Blick. Dass ich sie schön fand, machte mich für einen Moment wütend. Ich stiess Luft durch meine zusammengepressten Lippen.
    Anita neigte den Kopf ein wenig zur Seite und fragte mit ungekünstelter Anteilnahme: «Gehts dir gut? – Du siehst verkatert aus …»
    Ich zwang mich, ihren Blick auszuhalten.
    Sah ich verkatert aus? Und wenn schon, es ging mir blendend.
    «Hast du keinen Hunger …» Ich deutete auf die Müeslipackung.
    Sie sah die Schachtel an, als ob sie sie erst jetzt

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