Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
Vom Netzwerk:
hinüber.
    «Damenbesuch?»
    Ich nickte. «Anita – die Geheimagentin.»
    Er machte grosse Augen. Ich erstattete ihm einen knappen Abriss der Geschichte. Danach wandte sich jeder wieder seiner Arbeit zu.
    Ich sah die Kopien der Identitätsausweise durch. Im Register des Monats Januar konnte ich ihn nicht finden. Auch nicht unter Februar. Im Märzregister stiess ich dann auf ihn: Faruk Tahiri – zweitausendzweihundert Franken, überwiesen an Burim Tahiri. Ich blätterte weiter. April – tausenddreihundert Franken. Mai – tausendachthundert Franken, an denselben Empfänger. Mit dem Monat Mai endete die Buchhaltung.
    «Dein Vater heisst also Burim?»
    Faruk sah von der Agenda auf. «Steht das da drin?»
    Ich nickte. «Und dass du fleissig Geld überwiesen hast: zweitausendzweihundert im März, tausenddreihundert im April, tausendachthundert im Mai. Braver Sohn.»
    «Was hast du gesagt?! Im Mai, wie viel?!»
    «Tausendachthundert.»
    «Das kann nicht sein!»
    «Hier steht es, schwarz auf weiss, mit deiner Unterschrift beglaubigt.»
    «Gib mal rüber!»
    Ich reichte ihm den Ordner. Stirnrunzelnd studierte er die Quittung.
    «Das ist gefälscht! Meine Unterschrift ist gefälscht! Ich hab im Mai gar nichts überwiesen …»
    Ich beugte mich zu Faruk hinüber. Ich blätterte zurück auf April und verglich die beiden Unterschriften. «Das ist doch zweimal dieselbe Unterschrift – dieses unleserliche Zeug.»
    «Nein. Ganz bestimmt nicht. Schau dir das K an. Ich mach da so einen Bogen zum T von Tahiri hin. Aber nicht absichtlich, das geschieht im Schwung.»
    Faruk machte es ein paar Mal auf einem leeren Blatt der Agenda vor.
    «Aber hier, siehst du – dieser Schlenker ist nachgerade gemalt, der Fälscher schrieb das K und bemerkte dann diese Verbindungslinie, weshalb er den Stift noch einmal ansetzte – siehst du?»
    Ich musste ihm zustimmen.
    «Zudem hab ich im Mai kein Geld überwiesen, das schwöre ich.»
    Ich lehnte mich zurück und steckte mir eine Zigarette an.
    «So also hat er es gemacht … Genial einfach und genial unauffällig. Wie soll der externe Buchprüfer bei hunderten von Transaktionen bemerken, dass einige fingiert sind?»
    «Aber wozu sollte Slavkovi ć Überweisungen vortäuschen, die nicht stattgefunden haben?»
    «Um den Ursprung seines schmutzigen Geldes zu verschleiern. Begreifst du denn nicht? Wieso zahlt er dir einen Lohn als Fahrer aus? Damit du dein Drogengeld als legales Einkommen von deinem Bankkonto beziehen kannst. Dasselbe hat Slavkovi ć im grossen Stil gemacht. Wie gross in Franken ausgedrückt, kann ich zwar nicht sagen. Aber wenn es sich mit den anderen hier dokumentierten Transaktionen ähnlich verhält, kann es in die Zehntausende gehen.»
    Ich legte die beiden Ordner mit den Transaktionsbelegen zur Seite und öffnete den dritten Kassenbuchordner. Auch hier waren die Monate Mai, April, März, Februar und Januar durch sauber beschriftete Registerblätter sichtbar gemacht. Jeder Monat enthielt ein Couvert des Formats A 5 . Ich öffnete das Couvert vom Monat Mai und liess den Inhalt auf den Tisch gleiten. Eine Menge kleiner, farbiger Zettelchen häufte sich an. Obwohl die Angaben darauf in serbokroatischer Sprache gehalten waren, konnte ich den lateinischen Buchstaben entnehmen, dass es sich um Billette handelte, die Slavkovi ć s Kunden für Reisen nach Pale, Banja Luka oder Belgrad gelöst hatten. An den rundlich ausgefransten Enden war zu erkennen, dass ein Billett jeweils aus zwei Teilen bestand, wovon bei der Entwertung ein Teil an den Kunden ging und der andere in die Buchhaltung. Zusätzlich zu den Couverts war jedem Monat eine detaillierte Aufstellung der Billette-Erlöse beigelegt, Mehrwertsteuersätze inklusive.
    Auch hier war es nicht so einfach, mutmasslich fingierte Einnahmen nachzuweisen. Aber über den Daumen gepeilt – sechs Fahrer abzüglich Faruk, die pro Monat an die achtzig bis hundert Fahrgäste beförderten – bewegten sich die Zahlen durchaus in einem realistischen Bereich. Hinzu kam, dass der Monat Februar – Schulferien – höhere Einnahmen auswies als beispielsweise der Januar.
    Von den vielen Zahlen schwindelte mir der Kopf. Ich legte die Ordner zurück in die Bananenschachtel. Den letzten Rest Bier leerte ich in einem Zug. Aus dem Nebenraum waren schon länger keine Geräusche mehr zu vernehmen.
    «Nimmst du auch noch eins?»
    Faruk hielt mir die leere Flasche hin, ohne von der Agenda aufzublicken. Ich legte das Leergut in den Einkaufswagen, ging zum

Weitere Kostenlose Bücher